Die Kinder des Saturn
Drittens: Dieser jungfräuliche, noch nicht zum Leben erwachte Körper… Selbst wenn Jeeves die Wahrheit sagt und dieser Körper von einem Schrottplatz voller ausrangierter Leichen stammt, finde ich es sehr beunruhigend, dass er genau zum richtigen Zeitpunkt geliefert wurde. Wie bestellt. Viertens: Jeeves hat keinen Grund, mir über den Weg zu trauen. Ganz abgesehen davon, dass ein anderes Weibsstück mit meinem Namen und meinen Erinnerungen sich bereits abgesetzt hat und somit genau das getan hat, was ich vor einer halben Stunde ins Auge gefasst hatte. Ich hoffe nur, dass er nichts von dieser anderen Sache weiß …
»Übrigens werden Sie alle Anweisungen befolgen und von jedem Widerstand absehen«, erklärt Jeeves unvermittelt. Ich bleibe
stehen. Genauer gesagt: ich versuche es, denn meine Füße gehorchen mir nicht mehr. O Scheiße.
»Was geht hier vor?«, frage ich und lege ein angemessenes Zittern in meine Stimme.
»Sie wissen sehr genau, was hier vor sich geht.« Er öffnet die Tür zu seinem Büro und tritt ein. »Kommen Sie herein. Nehmen Sie auf dem Besuchersessel Platz. Zeit für eine kleine Unterhaltung.«
Ich kann nicht anders, als seiner Aufforderung zu folgen. So ein Mist. Hier geht es wohl tatsächlich um mehr als das Objekt der Begierde?! Jeeves schlurft hinter seinen Schreibtisch und setzt sich. Von der Tür her ist ein dumpfes Geräusch zu hören: Die Alarmanlagen sind jetzt aktiviert. Scheiße. Scheißescheißescheiße … Mich packt nackte Angst. »Wer sind Sie?«, frage ich, und diesmal ist das Zittern in meiner Stimme nicht vorgetäuscht.
»Ich bin der Jeeves von der Inneren Sicherheit. Der Jeeves, der sich um Probleme kümmert«, erklärt er todernst.
»Aber, aber … Was ist denn …« Ich gerate ins Stocken. Hat es in dieser Phase überhaupt noch Zweck zu schauspielern? Er hat mich mit einem Versklavungschip ausgestattet und mir einen Neustart in einem wehrlosen Körper verpasst. Ich bin nur noch totes Fleisch. Ich frage mich nur, warum er mich überhaupt zurückhaben wollte, wenn er auch über diese andere Geschichte Bescheid weiß.
»Reginald hat alles gestanden«, sagt er mit schwerer Stimme.
»Wer ist Reginald?« Ich bemühe mich, verwirrt zu klingen. Ist ja kein seltener Name, oder?
»Kontrollebene neun.« Ein Vorhang senkt sich über mich und betäubt meine Sinne. »Hören Sie mit dem Schauspielern auf. Man weiß hier über Ihre kleine Affäre mit Reginald Bescheid. Sie kennen die Regeln, haben aber trotzdem damit weitergemacht. Sie können nicht behaupten, Sie hätten nichts von diesen Regeln gewusst.« Er atmet schwer. »Reginald wurde … zur Verantwortung gezogen. Und dorthin strafversetzt, wo er keinen Schaden mehr anrichten kann. Was ich von Ihnen wissen will: Warum
weisen die Buchsen Ihrer Seelenchips Verschleißspuren auf? Was wollten Sie vor uns verbergen? Und wozu haben Sie den Zugang zu vertraulichen Informationen genutzt, den Sie sich über Reginald beschafft haben? Antworten Sie!«
Ich ringe um eine Antwort, bringe aber nichts heraus, denn mein Kopf ist buchstäblich leer. Ich beginne zu zittern, denn es ist ein schreckliches Gefühl, so, als ob eine unsichtbare Faust meinen Verstand zermalmt. Vage wird mir bewusst, dass ich Tränen absondere und meine Biomimetik verrückt spielt, doch ich kann an nichts anderes denken als an die Leerstellen in meinem Kopf, an die blinden Flecken an den Orten, wo ein bestimmtes Wissen gespeichert sein müsste – Informationen über diese andere Sache , was sie auch sein mag …
»Hören Sie auf damit.«
»Ich weiß es nicht!«, schluchze ich. »Ich weiß es wirklich nicht …«
»Also ist es eindeutig nicht auf Ihrem Seelenchip gespeichert?« Jeeves lehnt sich zurück. Er wirkt interessiert .
»Da sind nur Lücken! Sie fragen mich nach Dingen, die ich … die Juliette mich nicht wissen lassen wollte! Sie muss mit einer Situation wie dieser gerechnet haben!«
»Also hat sie ihren Seelenchip herausgenommen, ehe sie sich auf Dinge einließ, die dem Gegner in die Hände spielten«, sinniert Jeeves. »Und als sie ihn wieder einsetzte, versuchte sie, nicht an diese Dinge zu denken. Das würde die blinden Flecken im Langzeitgedächtnis erklären, nicht wahr? Sagen Sie mir, welche Dinge Sie persönlich für so brisant halten, dass solche extremen Maßnahmen gerechtfertigt wären. Schutzvorkehrungen, um Geheimnisse noch über den Schrottplatz hinaus zu bewahren.«
»Liebe. Angst. Diese andere Geschichte. Erpressung …«
»Welche
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