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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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eigentlichen Ausbildung. Während meiner zweiten Entwicklungsphase haben sich meine Muskeln so gekräftigt, dass ich laufen und rennen kann. In der dritten Entwicklungsphase wurde die Welt ringsum deutlicher und verständlicher (aber auch kleiner). Doch diesmal …
    Ich bin wach, also muss es Morgen sein. Als ich mit den Zehen wackle, fühlt sich meine Haut irgendwie seltsam an: empfindlicher und so, als könnte ich sie auf irgendeine Weise verändern. (Das liegt an den Chromatophoren, doch das weiß ich noch nicht.) Und ich bin … größer, ja. Ich strecke eine Hand hoch, mustere sie und merke, dass sie schlanker und länger ist als früher. Perfekt geformt. Ich lächle und taste meinen Brustkorb ab. Oh! Das fühlt sich aber komisch an. Zwar habe ich noch keine voll entwickelten Brüste, doch die Brustwarzen reagieren auf die kleinste Berührung, den leisesten Windhauch. Wie ist es da unten? Als ich mich weiter vortaste, kneife ich verblüfft die Oberschenkel zusammen. Das also ist eine … Vagina? Und das ein Anus? Die Haut prickelt bei meiner Berührung. Ich entdecke eine ganz neue, wunderbare, fremdartige Welt, eine Körperzone, die empfindlich,
glitschig und voller Gerüche ist. Warum haben sie mir die bisher vorenthalten? Als ich meine Finger da unten spielen lasse, merke ich, dass jetzt noch weitere Reflexe aktiviert sind. Es ist so, als würde ich mit der Hand in eine Steckdose greifen, die am Vortag noch nicht angeschlossen war und jetzt plötzlich Strom abgibt …
    Meine Schlafzimmertür geht auf. Als ich mich herumwälze, höre ich jemanden sagen: »Das Ding ist wach. Komm, wir bringen es in die Konditionierungszelle.« Zwei Hände greifen nach meinen Schultern, während mir jemand anderes das Laken wegzieht und tief Luft holt. »He, guck mal! Sieht doch aus wie echt, findest du nicht? Wie wär’s mit einem schnellen Testlauf?«
    Ich versuche zu protestieren, doch aus meinem Mund dringt nichts Verständliches. (Das liegt daran, dass sie bei der Herstellung meines neuen Körpers auch einen Override-Befehl und bestimmte Einschränkungen vorprogrammiert haben, allerdings finde ich das erst später heraus.) Als die Hände mich herumwälzen und meine Schultern zurück auf die Schaumstoffmatratze drücken, will ich mich wehren, aber die beiden lachen nur, befehlen mir, damit aufzuhören, und ich kann meine Arme und Beine nicht mehr bewegen.
    Danach hört jeder Spaß auf.

    (Als Granita mich anwies, mir selbst einen Faustschlag zu versetzen, war sie noch gnädig. Schließlich hätte sie mir stattdessen auch befehlen können, nochmals meinen elften Geburtstag zu durchleben.)

    Ich sitze Rhea am Tisch gegenüber, meiner Kopiervorlage, Matriarchin und meinem frühesten Selbst, halte ein kegelförmiges Glas voll süßlich duftender Flüssigkeit in der Hand und lächle so, als hätte man mir niemals das Herz gebrochen. Das Training der Serie
drei. Als Erstes bringen sie einem Gehorsam und Unterwerfung bei. Danach, wie und wann man sich wehrt. Und schließlich … haben sie Rhea etwas anderes gelehrt. Etwas, das sie zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Und ich muss lächeln und sie davon überzeugen, dass ich für sie keine Bedrohung darstelle, denn andernfalls wird sie mich wie ein Leck, aus dem Dampf entweicht, beseitigen lassen.
    Sie sitzt nur da, lächelt mir leicht zu, umfasst ihr Glas und wartet offensichtlich auf etwas.
    Irgendetwas.
    »Schon seit einiger Zeit«, beginne ich vorsichtig und zögernd – meine Zunge klebt an meinem Gaumen -, »frage ich mich … Ich bin einfach neugierig und hoffe, du fasst das nicht falsch auf … Wer waren diese Leute, die sich als deine Eigentümer betrachteten? Ich meine damals, als sie sich das Konzept für Serie drei einfallen ließen?«
    Ihre Mundwinkel zucken nach oben, und in ihren Wangen bilden sich Grübchen, so als empfände sie mir gegenüber echte Herzlichkeit. »Neunundzwanzig Sekunden. Ich glaube, du hast soeben einen neuen Rekord aufgestellt.«
    »Ach ja?« Das war dumm von dir; das hier werden wir jetzt nur noch überleben, wenn wir es auskämpfen, warnt mich Juliette.
    »Die letzte Serie der Optimierungen kam mir so vor, als neige sie allzu sehr zur passiv-integrativen Selbstbeobachtung, aber deine Frage war erfreulich direkt. Offenbar hat das Aggressionstraining bei dir funktioniert.«
    Sie versucht eindeutig, mich aus dem Konzept zu bringen. »Vielleicht verlangst du zu viel«, erwidere ich. »Wie hoch ist der Prozentsatz derjenigen, bei denen das Training

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