Die Kinder des Saturn
ausgehen.)
»Die ehrwürdige Granita Ford, die ich an Bord der Pygmalion kennengelernt habe, ist nicht identisch mit der Granita Ford, die
mich auf Kallisto gekidnappt hat«, sage ich schließlich. »Sie muss, äh, Juliette sein, stimmt’s?«
Rhea nickt. »Granita hat mich einmal zu oft verärgert, als es ihr nicht gelang, eine bestimmte Lieferung an sich zu bringen. Zumal sie anschließend noch versucht hat, den weiblichen Kurier aus der Welt zu schaffen.« Ihre Augen werden zu Schlitzen. »Hinzu kam, dass ich einer Untergebenen meines Vertrauens etwas schuldig war. Einer, die irgendwann der Inneren Sicherheit der Firma Jeeves aufgefallen war und dringend abtauchen musste. Damals entschied ich mich dafür, Juliette Granitas Platz einnehmen zu lassen.«
Und was ist mit Petruchio, Rheas Sexsklaven und Juliettes Geliebten? Ich beschließe, lieber nicht nach ihm zu fragen – zu riskant. »Du weißt«, fahre ich fort, »dass ich in Wirklichkeit, äh, Freya bin.« (Dank diesem Miststück klingt der eigene Name fremd in meinen Ohren.) »Aber du warst von Anfang an Rhea, auf Venus und auch heute noch. In Wirklichkeit bist du schon die ganze Zeit über eine Aristo …«
»Ja, schon die ganze Zeit.« Mit einem Lächeln verleiht sie ihrer zustimmenden Antwort Nachdruck. »Ausgezeichnet, Freya. Übrigens werde ich dich von jetzt an Kate nennen – du hast es dir verdient. Und sobald wir ein gewisses loses Seil sicher vertäut haben, darfst du den Namen gern auch weiter verwenden.«
Ich spüre, wie meine Fingernägel wie Klauen ausfahren und ziehe sie hastig wieder ein. Ganz ruhig bleiben. Sie ist meine Matriarchin und kennt jeden Winkel meiner Seele - nein , hör sofort auf damit! Sie weiß lediglich, wer du vor hundertfünfzig Jahren warst und was sie seitdem durch eigene Beobachtung aus deinem Verhalten geschlossen hat. Unsere Gedanken kann sie nicht lesen, sonst wären wir schon tot. »Vielen Dank«, erwidere ich und stütze mich dabei auf jedes Quäntchen der Selbstbeherrschung, die ich im Laufe leidvoller Jahrzehnte erworben habe. Selbstbeherrschung, die mich Jahre voller Angst vor der eigenen Verletzlichkeit gelehrt haben. »Möchtest du, dass ich weiterrede?«
»Ja, fahr fort.«
Soweit es mir möglich ist, versetze ich mich in Rheas wirre Gedankenwelt. »Wir alle sind verletzlich, sind es immer gewesen. Wir wurden dazu geschaffen zu gehorchen und lernten an jenem«, ich muss schlucken, »an jenem Geburtstag auf die harte Tour, was das bedeutet.« (Bist du deswegen an meinem hundertneununddreißigsten Geburtstag zurück in mein Leben spaziert, Rhea? Weil du wusstest, dass ich mir den Selbstmord in den Kopf gesetzt hatte und eine gute, gesunde Angst genau das richtige Mittel sein würde, mich aus der Depression herauszuholen? Oder wolltest du nur eine weitere unschuldige Seele dazu benutzen, stellvertretend für dich herzuhalten und an deiner Stelle zu leiden? Und all das in Erinnerung an jenen Morgen, als sie dein Schlafzimmer betraten und kein Schrei aus deiner Kehle drang, als deine Hände sich nicht zu wehren und deine Beine nicht wegzulaufen vermochten, wie du feststellen musstest? Und dachtest du, du könntest mich, als ich schließlich am Boden lag, einfach so heftig treten, dass mir deine Taschenspielertricks gar nicht auffallen würden? Dass ich gar nicht merken würde, wessen Hand da im Spiel war?)
Jetzt lächelt sie nicht mehr, gibt aber auch nicht das unauffällige Zeichen, das Stone oder einen ihrer anderen Speichellecker – vielleicht Bill oder Ben – anweisen wird, mich auf der Stelle zu töten.
»Falls die Schöpfer zurückkehren, wird es jeden Tag wie an diesem Geburtstag sein«, sage ich mit schwerer Zunge. Meine Handflächen sind nass von Schweiß, und meine Pumpen arbeiten unangenehm schnell. »Das muss man verhindern. Aber wie? Es hat keinen Zweck, einfach darauf zu hoffen, dass keiner so dumm sein wird, die Rückkehr der Schöpfer in die Wege zu leiten. Die Fremdartigen hier draußen in der Kälte sind nicht konditioniert zu gehorchen« – aufgrund von Angst zu gehorchen -, »also werden sie es früher oder später tun, wie mir das hier sagt.« Ich klopfe mit den Fingerknöcheln auf den Tisch aus echtem Holz. »Irgendeine blöde Aristo-Fotze, die auf Sex aus ist, irgendein hirnloser Geldesel, der sich einbildet, er könne unsere Schöpfer lenken, wird
genau das tun. Heute brauchen dreihundert Labors noch achtzig Jahre dazu, eine Biosphäre für die Krone der Schöpfung zu erzeugen, in
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