Die Kinder des Saturn
seine Liebesdienste sogar sehr genießen.
Leicht zitternd beauftrage ich den Drucker damit, ein paar Kleidungsstücke für mich herzustellen, die etwas mondäner sind als der von der Reise zerschlissene Overall, in dem ich angekommen bin. Gleich darauf ziehe ich mich aus und stelle mich vor den Ankleidespiegel, um mir das Gesicht und das Haar zurechtzumachen. Die Lippen: etwas voller, eine Spur mehr Rot. Die Augen: etwas dunkler. Das Haar: braucht mehr Fülle. Nach und nach passe ich mein Äußeres Juliettes Erscheinungsbild an. Danach kehre ich zum Drucker zurück, der inzwischen meinen externen Speicher durchforstet hat und dabei auf ein aufreizendes schwarzes Kleid gestoßen ist, das ich zuletzt auf einer ziemlich speziellen Party in Lissabon getragen habe. Das wird seinen Zweck erfüllen! Ich lasse höhere Absätze aus meinen Fersen ausfahren und wirbele probeweise darauf herum, während ich meinem Spiegelbild zulächle. Ich mag zwar eingerostet sein, aber ich bin noch nicht tot, denke ich und verstaue den Seelenfriedhof in meiner neuen Abendhandtasche. Als Nächstes checke ich mein Notebook, wo eine Nachricht von Emma auf mich wartet.
Auf der Projektion, die sich vor meinem geistigen Auge entfaltet, wirkt Emma verhärmt und besorgt, was ihr gar nicht ähnlich sieht. »Freya? Wo hast du nur gesteckt ? Bitte melde dich bei mir! Ich brauche dringend deine Hilfe. Ich kann dir nicht mitteilen, was derzeit hier los ist, aber eine Freundin wird mit dir Verbindung aufnehmen, falls du immer noch auf Venus bist.« Als ich mir den Datumsstempel und die Gebühren ansehe, bekomme ich einen Schreck: Emma hat die Nachricht schon vor vierzig Tagen abgeschickt! Und die Gebühren dafür sind so hoch wie ein durchschnittlicher Wochenlohn! Also muss sie wirklich in Schwierigkeiten stecken. Rhea hat uns gewisse Signale mitgegeben, Anzeichen von Stress, die niemand bemerkt, der in unsere geheime Geschichte nicht eingeweiht ist. Emmas Nachricht ist gespickt mit solchen alarmierenden Hinweisen, verrät Verwirrung und Paranoia. Aber was erwartet sie von mir? Was soll ich für sie tun? Kann ihr keine andere Schwester aus der Patsche helfen?
Hastig überfliege ich den Rest meiner Post. Nichts von Greta. Eine freundliche, aufmunternde Nachricht von Sheena, depressives Gejammer von Pippa, Charmaine, Elvira, Sirena und jeder Menge anderer Schwestern. Hör auf damit, sage ich mir. Du bist in einem Hotel und hast dich für deinen Gastgeber hübsch gemacht, damit ihr beide viel Spaß miteinander habt. Schlechte Laune kannst du dir nicht leisten. Denk an was anderes. Zum Beispiel: Wo bleibt denn nur der Zimmerservice?
Wie gerufen meldet sich die Zimmertür, und ich springe freudig hinüber, um sie zu öffnen. Und so kommt es, dass zwei ausdruckslos blickende Zwerge in schwarzen Tarnanzügen es schaffen, mich zu überwältigen.
Die wenigsten Leute machen sich klar, dass die physikalische Beschaffenheit eines Planeten dessen Architektur und Wirtschaft entscheidend prägt.
Die Spezies meiner Einzig Wahren Liebe besaß ungeheures Potenzial, doch da sie äußerst empfindlich auf Temperaturschwankungen und Druck reagierte, war ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Folglich schuf sie sich Umgebungen, in denen sie leben konnte, und entwarf Gebäude, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten waren. Alter und Maßstäbe der Stadt Cinnabar sagen mir, dass sie nach den Wünschen unserer ausgestorbenen Schöpfer errichtet wurde. Sie liegt unter einer Kuppel, wird mit Sauerstoff versorgt und hat eine Umgebungstemperatur, die am Tripelpunkt von Dihydrogenmonoxid liegt. Außerdem sind ihre Gebäude mit Luftschleusen ausgestattet und mit seltsamen Röhren zur Abfallbeseitigung gespickt.
Durch dieses komplizierte Netz von Kloaken erlangten meine Angreifer Zugang, indem sie sich durch die großartigen, jedoch überflüssigen Toilettenanlagen des hochherrschaftlichen Hotels quetschten. Als ich die Tür öffnete, erhaschte ich einen kurzen Blick auf ein unglückseliges Servierwägelchen, das mit rotierenden
Rädern auf der Seite lag. Gleich darauf schossen zwei menschenähnliche Gestalten auf mich zu.
Jetzt sitze ich natürlich wie erstarrt in der Gegenwart fest und habe erst viel später Zeit zum Nachdenken. Instinktiv trete ich einen Schritt zurück, doch sie sind schneller als ich. Derjenige, der mir am nächsten ist, sticht mit einem Betäubungsstab auf mich ein. Dummerweise versuche ich, den Stab abzuwehren, und bekomme mit meinen Händen die
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