Die Kinder des Saturn
volle Ladung ab.
»Freya Nakamichi-47, unser Bruder Stone lässt dir seine Grüße ausrichten«, verkündet der zweite Einbrecher in förmlichem Ton, während ich langsam nach hinten taumle, wobei meine Chromatophoren aufflammen und meine motorischen Elemente zucken. »Wir zeichnen dieses entzückende Wiedersehen auf, damit er dir die Ehre seiner persönlichen Anteilnahme zuteil werden lassen kann. Er hat sogar eine festliche Zusammenkunft für dich vorbereitet. Wir werden uns dorthin auf den Weg machen, sobald wir dich auf eine Reise durch die Kanalisation vorbereitet haben. Bedauerlicherweise wird Stone nicht persönlich hier sein, aber wir können dir versichern, dass er dieses Wiedersehen genießen wird.«
Meine Haut kribbelt so unkontrollierbar, als ob tausend winzige Spinnenbots darüber krabbelten.
»Komm schon, Flint, hör auf, mit ihr herumzumachen. Hilf mir lieber, die Fotze aufzuschlitzen, ehe sie wieder ein Gefühl in ihren verdammten Beinen hat.« Der Schatten mit der Reibeisenstimme, der den Betäubungsstab geschwungen hat, packt mich bei den Knöcheln und fesselt sie mit irgendetwas.
Flint seufzt. »Ganz wie du willst, Slate.« Ich versuche meine Arme zu bewegen, aber er ist zu schnell. Gleich darauf wälzen die beiden mich in Bauchlage und binden mir die Arme zusammen. Irgendein mir unbekannter Reflex bringt mich dazu, meine Schultern so gut es geht anzuspannen, aber der Reflex ist zu schwach und kommt zu spät: Meine Servolenkung reagiert nicht. »Ich glaube, sie kommt wieder zu sich«, bemerkt Flint. »Kümmere dich darum.«
Ich schaffe es, meinen Mund zu öffnen, und will um Hilfe rufen, doch Slate jagt mir fünfzig Kilovolt in den Hinterkopf und setzt mich für eine Weile außer Gefecht.
Es ist dunkel.
Es ist dunkel, weil deine Augen geschlossen sind, du Dummkopf. Ich liege auf irgendetwas Hartem, Unbequemem. Es sticht mir in den Rücken und ist heiß .
Als ich versuche, die Augen zu öffnen, reagieren sie sehr träge und brennen in ihren Höhlen. Ich empfange lediglich den schwachen Eindruck von Helligkeit, denn ich bin vorübergehend blind. Meine Netzhaut ist überlastet. Meine Haut juckt. Alle Chromatophoren sind auf Hochglanz programmiert. Ich muss ja einen tollen Anblick bieten, denn ich bin eindeutig mit Chrom überzogen. Wie albern , schießt es mir beiläufig durch den Kopf. Als ich mich bewegen will, passiert nichts. Gleich darauf wird mir klar, dass ich nicht atme. Der Gasaustausch mit meiner Umgebung funktioniert nicht mehr. Wie seltsam. Das muss heißen, dass …
Panik!
Ich versuche zu schreien, doch hier gibt es keine Luft, und für das Vakuum bin ich nicht ausgerüstet. Meine elektronischen Stimmvorrichtungen sind schwach, denn sie sind eher dazu gedacht, Haushaltsgeräte zu steuern, als sich über eine lärmende Fabrikhalle hinweg verständlich zu machen.
Allmählich komme ich dahinter, wo ich bin. Sie haben mich an einem harten Balken festgebunden. Er befindet sich unter meinem Kreuz, und meine Arme sind darunter gefesselt. Ich versuche, meine Beine anzuziehen, doch sie sind an etwas anderem festgezurrt. Als ich mein Gesicht von der Wärmequelle abwende, werde ich dadurch belohnt, dass sich ein flackernder Schatten vor der brennenden Helligkeit in einem Auge abzeichnet. Die Lichtstärke scheint jetzt abzunehmen. Einen Augenblick lang hatte ich befürchtet, sie hätten mich aus der Stadt gebracht und auf der
Oberfläche ausgesetzt, damit ich dort verschmore, doch sie scheinen etwas anderes mit mir vorzuhaben. Eine festliche Zusammenkunft, haben sie gesagt. Ich lausche konzentriert und hoffe dabei, irgendein Summen oder Quäken der Verkehrsüberwachung zu hören, aber da ist nichts. Zugleich spüre ich im Kreuz ein schwaches Knirschen und Vibrieren, als befände sich noch jemand anderes auf dem Balken – Mast? Gleis? -, auf dem ich liege. Außerdem ist da auch noch etwas, das meinen Kopf abpuffert, etwas Hartes, Flaches.
Als mein überlastetes Auge auf die leichte Verdunkelung reagiert, zuckt das weißlich glühende Licht schneller auf. Ich blinzle und versuche, den Lichteinfall in meine Pupillen zu vermindern, was zur Folge hat, dass ich ein verschwommenes, von den Wimpern überschattetes Bild hereinbekomme. Ich liege auf einer Metallschiene, die zu einer ganzen Gruppe von Gleisen gehört, die parallel zueinander verlaufen. Mein Kopf wirft einen langen Schatten über die nächste Schiene. Also muss ich mich wohl doch an der Oberfläche befinden, und mein Kopf ist von
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