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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Julie, der Boss will uns sprechen.«
    »Der Boss? Welcher der Brüder?«
    Daks zieht sich wieder in die Röhre zurück und zerrt mich an einer Hand, die ich dankbar annehme, hinter sich her. Ohne jede Mühe saust er hindurch und beobachtet dabei mein Gesicht. »Der Depressive, glaube ich.«
    »Oh je.« Was mich an der Gruppe der Jeeves-Brüder fast am meisten nervt, ist deren Eigenart, privat in Personen mit höchst unterschiedlichen Temperamenten zu zerfallen. Hinter dem äußeren Schein aalglatter professioneller Servilität ist die Jeeves-Sippe genauso launenhaft wie jede andere, der ich bislang begegnet bin. Ich nehme an, die Launen sind ihr Ventil dafür, dass sie sich ständig wie die ehrbaren Butler von Gentlemen verhalten und hinter einer stoischen Maske verschanzen müssen. Vermutlich leiden sie privat unter Tobsuchtsanfällen oder pflegen irgendeinen bizarren Fetischismus, aber wie überall in solchen Sippen gibt es da auch noch den Außenseiter, den verklemmten, nervösen Typ, der sich der eigenen Verzweiflung hingibt. »Glaubst du, es geht um einen neuen Auftrag?«
    Daks zögert kurz. »Zum Spekulieren hab ich keine Lust«, knurrt er. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, denn Daks hat normalerweise ein sonniges, offenes Gemüt. Dieses Mauern sieht ihm gar nicht ähnlich. Während ich ihm folge, hake ich nicht weiter nach, sondern überlege nur, was schlimmstenfalls auf uns zukommen könnte.
    Nachdem wir die düstere Röhre verlassen haben, gelangen wir in einen Schacht mit einer Außenwand, die lichtdurchlässig ist,
sofern man die üblichen Wellenlängen nutzt. Below Stairs, unser kleines Geschäftsbüro in den Lüften, ist etwa hundert Kilometer unterhalb von Deimos mit Bifröst verbunden. Soweit ich weiß, wird Below Stairs in den Fahrplänen als Wartungsstation aufgeführt. Der meiste Verkehr rauscht hier mit mehreren Hundert Stundenkilometern vorbei, so schnell, dass unser Büro gar nicht auffällt. (Außerdem gibt es viele solcher Wartungsstationen entlang des Raumaufzugs. Unsere unterscheidet sich von den anderen nur hinsichtlich dessen, was wir »warten«.) Die Aussicht, die sich von hier oben aus bietet, ist wirklich atemberaubend und schwindelerregend: Während wir uns dem Scheitelpunkt nähern, enthüllt uns Mars sein rötliches Gesicht, das wie verbrannt wirkt. Die Scheibe nimmt den halben Himmel ein. In der anderen Richtung glänzt die silberne Schneide von Bifröst; das unregelmäßig geformte Gestein läuft nach oben hin spitz zu und glitzert so, als wären Edelsteine darin eingebettet. Langsam bewegt sich ein grell leuchtender violetter Lichtpunkt an der Schneide entlang auf den Felsenklumpen zu: der frühmorgendliche Express, der auf seiner eigenen Bahn aus Laserenergie dahingleitet und jetzt die Geschwindigkeit drosselt. Ich halte einige Sekunden inne. In Momenten wie diesem erfasst mich stets ein metaphysisches, mystisches Gefühl, und mir wird erneut bewusst, was wir zu verteidigen haben.
    Natürlich entspricht das lediglich meiner ursprünglichen Programmierung.
    Der Chef befindet sich in der Pilotenkabine, verleibt sich die neuesten Nachrichten ein und brütet über irgendeiner Sache. Umgeben von blinkenden Displays, sitzt er im Zwielicht und achtet gar nicht auf die Himmelslandschaft jenseits seines Bullauges. Daks und ich bleiben am Eingang stehen. »Chef?«, rufe ich.
    »Juliette.« Er blickt auf – die Einstiegsluke zu der konisch geformten Kapsel liegt unmittelbar über seinem Schädel, und ich bin mit dem Kopf voran herbeigeschwebt – und ringt sich ein Lächeln ab. »Und Daks. Wie man sieht, hast du sie gefunden. Kommt herein.«

    Ich lasse Daks los und gleite an einer Instrumententafel herunter, auf den uralten Druckausgleichsitz neben dem Chef zu. Dass Jeeves diese Kapitänsbrücke eines alten Forschungsschiffs als privates Büro nutzt, wirkt zwar leicht verschroben, allerdings hat der Chef wohl auch ein Anrecht darauf: Schließlich hat er das Schiff gekauft. Angeblich ist die CRV-M im Notfall sogar für weitere Strecken flugtauglich, denn ihr Hitzeschild wurde sorgfältig restauriert, und im Flugregler sind die Koordinaten eines heimlichen Unterschlupfs in einer Kraterregion eingespeist, doch meiner Meinung ist das eine zwar hübsche, aber naive Vorstellung. »Um was geht’s, Chef?«
    »Valentina meint, Sie hätten sich gut erholt«, bemerkt er mit forschendem Blick und zieht eine der buschigen Augenbrauen leicht hoch.
    »Da hat sie nicht Unrecht«, erwidere ich

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