Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
Vom Netzwerk:
Kostenaufwand zum Marshafen befördert, damit … Wer weiß, wozu? Ich könnte wohl nachfragen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort überhaupt hören will. Jede mögliche Erklärung ist wahrscheinlich längst nicht so romantisch wie meine eigene Vorstellung. Mit Sicherheit weiß ich nur, dass sich einige unserer Schöpfer lange vor der Geburt meiner Art, vor dem Aufstieg ihrer Diener, zu diesem Schritt entschlossen haben. Und die Exponate reden sogar.
    »Dies ist ein Skelett des Australopithecus afarensis . Alter: 1,6 Millionen Jahre. Die Australopithecinen stellen eine frühe Familie
der Hominiden dar. Beachten Sie den Schädel, der sehr viel kleiner ist als beim Menschen. Der Australopithecus afarensis hatte ein Gehirn, das nur ein Drittel so groß war wie die Gehirne der späteren Gattung Homo , zu der unsere Schöpfer gehören. Man nimmt an, dass sich der Australopithecus vor rund vier Millionen Jahren entwickelt hat …«
    Ich gehe weiter, weil ich nach etwas anderem Ausschau halte.
    Ein weiteres Skelett, aufgestellt neben einer unglaublich behaarten und beunruhigend gekrümmten plastischen Reproduktion des Originals: » Canis lupus familiaris, der Haushund, eine Unterart des Wolfes. Er wurde in der Zeitspanne zwischen hunderttausend und fünfzehntausend Jahren vor der Gegenwart domestiziert. Gemeinhin ist er bekannt als des Menschen bester Freund .« ( Da hege ich gewisse Zweifel, bemerkt eines meiner schwesterlichen Ichs süffisant.) »Hunde wurden durch Zucht so modifiziert und abgerichtet, dass sie vor der Entwicklung empfindungsfähiger Maschinen verschiedene dienende Funktionen erfüllen konnten. Man nutzte sie dazu …«
    Geh weiter! Irgendeine gespenstische Erinnerung Juliettes zerrt mich ungeduldig in den nächsten Raum. ER befindet sich hinter einem Wandschirm, an dem ein Warnschild angebracht ist: BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR. MANCHE BESUCHER KÖNNTEN AN DIESER DARSTELLUNG ANSTOSS NEHMEN. Meine Kreislaufpumpen geraten auf Touren, und meine Haut beginnt sich zu spannen und zu schwitzen: Warnsignale. Diese unfreiwillige, beängstigende emotionale Reaktion ist in den Parametern meines Designs festgeschrieben. Ein Teil von mir weiß, was sich hinter dem Wandschirm verbirgt. Ich schiebe ihn ein wenig zur Seite, schleiche auf Zehenspitzen in den kleinen runden Raum und habe vor Angst und Faszination weiche Knie.
    Der Ausgang liegt dem Eingang direkt gegenüber, so dass ein ständiger Besucherstrom an den Exponaten vorbeidefilieren kann, die auf einem Sockel in der Mitte zu sehen sind. Als Erstes fallen mir die feinen, sauberen Knochen auf, die im Zwielicht schimmern. Er steht aufrecht da, hat einen Fuß angehoben, als wolle er
gleich vom Podest steigen und wäre mitten in der Bewegung erstarrt. Der Schädel mit den leeren kleinen Augenhöhlen ist mir zugewandt. Das Kinn ist größer als angenommen. Und neben ihm befindet sich die lebensgroße Reproduktion …
    Nein, ich breche nicht zitternd vor ihm zusammen, ich bleibe stark und kann ihn sogar anschauen, ohne dass es schlimme Nebenwirkungen hat. (Du weißt doch, dass er nur aus Kunststoff besteht, flüstert eines meiner Ichs. Du kannst es riechen. Aber was wäre, wenn er so riechen würde, als wäre er … lebendig?) Er ist groß, genau wie ich erwartet habe, aber die Augen sind klein und stehen eng zusammen. Das feine, strähnige Haupthaar wirkt seltsam und ganz anders als meines. Und falls diese Plastik sein Hautgewebe richtig wiedergibt, ist es mehr oder weniger farblos. Es sind darin keine Chromatophoren zu erkennen, auch keine glänzenden, glatten Flächen, nur willkürlich angeordnete Poren und darüber eine zarte Behaarung.
    Plötzlich tauche ich in die Vergangenheit ein, erlebe noch einmal meinen elften Geburtstag, will mich ihm zu Füßen werfen und schreien: Wo bist du? Warum hast du mir das angetan? Aber nicht nur das: Ein Teil von mir möchte ihm in das faltige, schöne Gesicht schlagen, ihn verletzen, um ihn dafür zu bestrafen, was seine Gattung uns angetan hat, während ein anderer Teil bereit ist, sich wahnsinnig und hoffnungslos in ihn zu verlieben. Doch er und seine ganze Art sind ausgestorben, sie sind allesamt tot, und diese armselige Plastik in einem staubigen Museum ist alles, was von ihnen übrig geblieben ist.
    »Das Skelett und die Reproduktion stellen ein frühzeitliches männliches Exemplar unseres Schöpfers, des Homo sapiens sapiens dar. Man nimmt an, dass der Homo sapiens erstmals vor fünfzigtausend, vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher