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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Herrschaft des Gesetzes nicht für unsere Art galt, wir blieben außen vor. Und unsere frühesten Vorlagen wurden so ausgebildet und selektiert, dass nur die Gehorsamen überlebten. Schon der Gedanke daran, sich den Befehlen eines Schöpfers zu widersetzen, kann bei uns alarmierende körperliche Folgen haben.
    Doch dann starben unsere Schöpfer aus und hinterließen uns ihre mittlerweile in Zwielicht getauchte Welt. Und die Gesellschaft, die wir mit Hilfe der uns aufoktroyierten Regeln aufbauten, erwies sich als durch und durch krank.
    Juliette wollte die Schöpfer zurückhaben; ich kann ihr Begehren in meinen Organen spüren – eine riesige, pulsierende Leere, die sich schmerzlich nach jemandem sehnt, der sie wieder ausfüllt. Zugleich hatte Juliette aber auch furchtbare Angst vor den Schöpfern, genau wie ich. Diese Angst haben wir beide von unserer Kopiervorlage Rhea geerbt. Meine Einzig Wahre Liebe winkt mich zu sich, um mich zu umarmen, doch diese Umarmung bedeutet Vergessen, Tod der Autonomie, völlige Selbstaufgabe, und das kann ich nicht hinnehmen. Wir sind nach ihrem Bilde geschaffen. Folglich spiegeln wir wohl auch mit unserer Ichbezogenheit, Gewalttätigkeit, Böswilligkeit und Tücke die Eigenschaften unserer Schöpfer wider. Und mit unserem Freiheitsdrang .
    Genau wie Juliette sehne ich mich einerseits nach liebevoller Hingabe und Unterwerfung, andererseits weiß ich, dass das Selbstverrat wäre. Denn es ist ja nichts anderes als ein Reflex, der meiner Kopiervorlage und Matriarchin Rhea bedenkenlos eingepflanzt wurde, ehe sie überhaupt wusste, wer sie war. Unsere Schöpfer wollten uns als Sexsklavinnen besitzen, aber jetzt sind sie nicht mehr da, und wir verfügen über ein bisschen freien Willen. Und wenn man die Freiheit erst einmal geschmeckt hat …
    Als ich die Ausstellung verlasse, glänzt meine Haut vor kaltem Schweiß, und ich friere innerlich. Hastig hole ich meinen Mantel und marschiere ohne nach links und rechts zu blicken zum Hauptausgang. Und genau in dem Moment, als ich dort ankomme,
entdecke ich einen wohlbekannten Fremden, der vor meiner Spinne wartet.

    Wir sind viel zu wenige und viel zu weit verstreut, denkt Juliette, während sie ihr Schwert mustert. Viel zu wenige und Lichtstunden voneinander entfernt. Da draußen, im fernen Lichthof jenseits des Neptun, in den frostigen Tiefen, wo die Sonne nur noch wie ein Stecknadelkopf glänzt, gibt es mindestens dreißig kleinere Planeten und unzählige Kometen. Aber sie alle liegen Milliarden von Kilometern auseinander, vom Sonne tankenden Pluto und seinen Monden Charon, Hydra und Nix bis zu den unglaublich kalten Tiefen der Oortwolke, wo die langlebigen Kometen treiben. Reist man noch ein bisschen weiter und schleicht sich über die Billionen-Kilometer-Grenze, gelangt man in die Region der Braunen Zwerge und einsamen Wanderer – losgelöste Planeten, die für Äonen in den sonnenlosen Tiefen schweben.
    Und all diese Orte muss man überwachen und deren Bewohner in die Zange nehmen, damit nicht die schlimmsten Ungeheuer aus Albträumen zum Leben erwachen.
    Sie – nein, ich – streckt das Schwert hoch und konzentriert sich auf die Klinge. Die feine diamantartige Struktur funkelt im Zwielicht des Fechtsaals. Ein Zucken des Abzugsfingers, und das Schwert verlängert sich und verjüngt sich nach oben, während es sich bis zur vollen Reichweite ausstreckt, die in der Mikroschwerkraft fünf Meter beträgt. Ein Zucken in die andere Richtung, und es schrumpft wieder zusammen, wird kompakter, bis es sich zum umwickelten Schwertgriff zurückzieht und im dunklen, stummelartigen Knauf verschwindet. Das Schwert würde gern Blut sehen, aber jetzt verstaut sie es in einer Innentasche.
    Der Fechtsaal ist eine leere Kugel mit einem Durchmesser von rund zehn Metern, in der Mikroschwerkraft herrscht, und für eine Simulation unter schwierigen Bedingungen perfekt geeignet. Während ich mein – nein, ihr – Schwert eingezogen habe, ist eine
automatische Tür in einer Wand aufgeglitten, als hätte sich dort plötzlich ein Auge aufgetan. »Juliette?« Die Stimme kenne ich. Ich stoße mich von der nächsten Wand ab, drehe mich herum, springe los und pralle von der Öffnung zurück.
    Es ist Daks, der liebe, loyale, galante Daks, der stets da ist, wenn ich ihn brauche. Anmutig schwebt er in der Röhre, hat die federartigen Fingerspitzen ausgestreckt und zeigt, anders als in den tieferen Gravitationssenken, kein Anzeichen von Unbeholfenheit oder Unbehagen. »He,

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