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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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»Warum wird Juliette verfolgt?«

    »Du hast den Job übernommen und musst noch fragen?« Daks deutet ein Schulterzucken an, was fast so geschmeidig wie bei einem Menschen wirkt. Der Eindruck wird nur dadurch gestört, dass er dabei ein Hinterbein in der Luft hängen lässt und es danach dazu benutzt, sich heftig hinter einem seiner akustischen Rezeptoren am Schädel zu kratzen.
    »Als ich den Job übernommen habe, hat mir niemand gesagt, dass ich dabei mit Verfolgungen rechnen muss!«
    Daks kauert sich vor mir nieder. »Hör zu, Babe, Verfolgungsjagden sind etwas ganz Normales. Kann sein, dass man die Verfolger die meiste Zeit über nicht bemerkt, aber im Hintergrund sind sie stets präsent. Entweder man jagt selbst oder man wird gejagt – eine andere Wahl hat man nicht. Wenigstens ist von uns beiden noch keiner erwischt worden, bis jetzt jedenfalls.«
    »Und wie lange wird das noch so gehen?«, schieße ich zurück. Meine Schulter pocht im Rhythmus des von einer Seite zur anderen schlingernden Kipplasters.
    »Lange genug.« Daks wirkt unbekümmert. »Wir werden sowieso bald wieder zu Hause und in Sicherheit sein.«
    »Zu Hause? Wo ist das?«
    Er pflanzt seine Saugrüssel auf die gekreuzten Vorderpfoten und betrachtet mich eine Weile. »Du erinnerst dich wirklich noch immer nicht daran, wie?«
    »Nein! Das versuche ich dir ja schon die ganze Zeit über klarzumachen!«
    »Also gut. Mal sehen, ob ich es dir erklären kann … Wem gehörst du?«

    Unsere Schöpfer haben uns nicht als Ebenbürtige geschaffen, sondern als ihr Eigentum, und das drückt sich auch im Gesetz aus. Wir sind Eigentum, dem Gesetz nach bewegliches Hab und Gut, das wirklichen Rechtspersonen wie Unternehmen und Gesellschaften (und unseren Schöpfern, bevor sie sich für immer abmeldeten)
zustand und immer noch zusteht. Zumindest will es unser Rechtssystem so.
    Selbstverständlich sieht die Wirklichkeit nicht so simpel aus. Mechanismen, die nicht mit Intelligenz begabt sind, kann man leicht in Besitz nehmen, etwa die achtzig Prozent ausmachenden Arbeitssklaven, die in den Fabriken serienmäßig hergestellt werden und weder über Bewusstsein noch Verstand verfügen. Doch mit Gefühl und Intelligenz ausgerüstete Geschöpfe sind nicht so unterwürfig. Und da unsere Designer das erkannten, unternahmen sie gewisse Schritte, um sicherzustellen, dass ihre Werkzeuge sich nicht irgendwann gegen sie wenden würden. Die wesentlichen Direktiven, die wir befolgen müssen, sind vom Tag unserer Geburt an in unsere Gehirne eingebrannt – nein, nicht die drei Gesetze, die der alte Weise Asimov aufgestellt hat, sondern ihre umfangreichen Nachfolger. Diese Gesetze haben jene Unternehmen in uns verankert, die unsere neuronale Struktur schufen. Und die Ausbilder, die uns großzogen. Sobald einer unserer Schöpfer anwesend ist, fliegt unser freier Wille auf und davon. Ob wir wollen oder nicht: Der für Gehorsam zuständige Schaltkreis ist fest in unsere Gehirne implantiert, entweder als Override-Befehl, der Priorität vor allen anderen Instruktionen hat, oder durch das Aversionstraining vermittelt, das bei uns Widerwillen gegen die Gehorsamsverweigerung hervorruft.
    Nicht einmal in Abwesenheit unserer Schöpfer sind wir unabhängige Wesen. Installiert man eine Override-Steuerung in einer meiner Buchsen, werde ich zwangsläufig zur hilflosen Sklavin. Das Instrument, das die Gehorsamsreflexe auslöst, ist brutal, denn seine Installation bedeutet das Ende aller Würde und des freien Willens. Deshalb bezeichnet man es auch als Versklavungschip . Und es ist typisch für Angehörige der Aristokratenklasse, sich diese widerwärtigen Vorrichtungen anzueignen und einzusetzen.
    Als die Zahl unserer Schöpfer zusammenschrumpfte, stützten sie sich mit der Zeit immer mehr auf ihre Bediensteten. Ständig wuchs der Beitrag, den diese Bediensteten dazu leisteten, die Maschinerie
der Zivilisation in Gang zu halten. Sekretären wurden gewisse Vollmachten eingeräumt; Unternehmen gingen dazu über, ihre Geschäftsabwicklungen maschinell durchzuführen. Irgendwann gründeten einige der Bediensteten Dachgesellschaften, kauften sich frei und erwarben den Status von Rechtspersonen – mussten dabei allerdings die Formen der Corporate Identity einhalten. Einige der weniger skrupulösen Unabhängigen begannen damit, andere Körper aufzukaufen. Schließlich waren und sind Override-Steuerungen leicht erhältlich, und die angehenden Aristos erwarben ohne Gewissensbisse alle mittellosen

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