Die Kinder des Teufels (German Edition)
keine Ahnung, mit wem sie es da zu tun bekamen. Er hatte die absolute Waffe in seinem Besitz, und er war gewillt, sie auch anzuwenden. Unbarmherzig würde er sein, genauso wie die Knechte, die kein Kind lebend in den Kellern zurückgelassen hatten.
Zuerst war Wilhelm genauso ahnungslos gewesen wie alle anderen, welch rätselhafte Krankheit die Bürger befallen hatte.
Die Teufelskrankheit nannten sie sie.
Als er einen dieser Besessenen hatte leiden sehen, erinnerte er sich der Mühle, des Schuppens, der Ratten, die einen ausgewachsenen Müllersknecht angegriffen hatten. Verrückte Viecher. Keine Angst vor niemandem. Völlig wahnsinnig.
Er war daraufhin noch einmal in den Schuppen zurückgekehrt, und tatsächlich: Überall lagen tote Ratten herum, auch die dürre Katze, die ihm seinerzeit begegnet war, hatte alle viere von sich gestreckt. Alles wies auf die Säcke mit dem Roggen hin. Sie waren von den Ratten angefressen worden, das Getreide lag über den Boden verstreut. Und brauchte es noch eines weiteren Beweises, dass das Getreide vergiftet war, so bedurfte es nur eines Blicks auf die anderen, lebendigen Ratten. Die nämlich machten einen weiten Bogen um das Getreide und ihre toten Artgenossen. Sie wussten genau, was sie getötet hatte.
Und da war Wilhelm auf eine gleichermaßen schreckliche wie auch geniale Idee gekommen. Mit diesem Getreide hatte er eine Waffe in der Hand, um endlich Rache an denen nehmen zu können, die ihn verprügelt, misshandelt, belogen und um eine sorgenfreie Kindheit gebracht hatten.
Die Priester und Lehrer der Stiftsschulen.
In die stiftseigenen Bäckereien einzudringen war zwar nicht einfach, aber auch nicht unmöglich gewesen. In dem Chaos, in dem sich die Stadt und ihre Bürger seit den ersten Vorfällen des Wahnsinns befanden, achtete niemand auf einen Jungen, der durch jede sich bietende Tür schlüpfte. In einer hohlen Heiligenfigur führte er die gemahlenen Getreidekörner mit sich. Sie ließen sich leicht unter das vorhandene Mehl mischen, ohne dass es jemandem auffiel. Dann musste er nur noch abwarten.
Das vergiftete Mehl tat seine Wirkung, allerdings stärker, als er gedacht hatte.
Die Hostien, die in den Stiftsbäckereien gebacken wurden, nahmen sowohl die frommen Stiftsherren zu sich als auch die Gläubigen, die zur Messe in ihre Kirchen kamen. Die Gottlosen und das Gesindel blieben verschont, da sie nicht den Leib Christi zu sich nahmen.
So war die Geschichte von der Teufelsseuche entstanden, die nur die Gottesfürchtigen befiel, aber die Gottlosen verschonte.
Diese Ungerechtigkeit würde er nun beheben.
Der Angriff der Knechte auf die Schwarzen Banden, das Massaker im Keller, war eine Kriegserklärung gewesen. Als einer der wenigen war es ihm gelungen, den Knechten zu entkommen, die im Wahn alles Leben beendet hatten. Er war durch die Gassen getaumelt, nicht wissend, wohin er noch gehen konnte. Dann war er an dieser Apotheke vorbeigekommen, in der Kathi gewohnt hatte. Hier fand er alles, um seine Wunden zu versorgen. Saubere Tücher und Heilkräuter. Er wusste zwar nicht genau, was er da auf seine Wunde tat, aber wenn es Medizin war, konnte es so schlecht nicht sein.
Nun hatte er sich genug ausgeruht, seine Rache konnte nicht länger warten. Er machte sich auf den Weg zu dem Versteck, wo er einen halben Sack dieser fürchterlichen Waffe gelagert hatte.
Bis in die Morgenstunden würde er mit dem Mahlen der Körner beschäftigt sein. Dann ging er in die Backstuben, nicht irgendwelche, sondern genau in die, aus deren Öfen die Brote für die Knechte, aber auch für den Burgherren kamen. Wenn er aus Schlüsselfeld zurückkehrte, sollte ihn eine gehörige Überraschung erwarten.
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29
In den frühen Morgenstunden waren im Hof der bischöflichen Kanzlei drei Stiftsherren von Haug, zwei von Neumünster, zwei aus dem Domstift sowie Gero von Wetterstein von St. Burkhard mit dem Schwert gerichtet worden.
Faltermayer hatte ihnen, auf Bitten Riedners, Gnade widerfahren lassen. Die Vergehen der anderen drei Stiftsherren hingegen taugten wegen ihrer Niedertracht und Boshaftigkeit nicht für solch ein mildes Urteil. Sie würden ihr frevelhaftes und teuflisches Dasein bei lebendigem Leib im Feuer büßen.
Die Karren, die die leblosen Körper zur Verbrennung den Scheiterhaufen auf dem Sanderanger zuführen sollten, standen bereit. Ebenso zwei weitere, die gewöhnliche Teufelsanbeter und Hexen geladen hatten, zehn an der Zahl – bürgerliche
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