Die Kinder des Teufels (German Edition)
neben den Schriften eines Hans Minner und eines Johannes Serapion war es zu finden. Es behandelte über zweihundert Kräuter und die Kunst der Destillation.
Zufrieden, das richtige Buch für die späte Stunde gefunden zu haben, legte sie sich zurück in ihr Bett. An ihrer Seite Michael, in ihrer Hand ein wohltuender Kräutertee, und falls sie Hunger bekam, standen noch leckere Nüsse zur Auswahl.
Sie seufzte. Grein wusste zu leben … aber auch zu sterben.
Das Knacken eines Holzscheits im Feuer ließ sie aufblicken. Zwei Schatten huschten über die Wand.
«Lene? Lotti?»
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8
Der Weg zur Burg des Bischofs war steil und gefährlich.
Die Pferde mussten auf eisigem Grund doppelt so viel Kraft aufbringen, um die Kutsche der römischen Gesandten den Berg hinaufzuziehen. Die beiden eskortierenden Reiter halfen, so gut sie konnten.
In der Kutsche saßen Crispin und Antonius. Nach einer leidlichen Übernachtung und einem ausgiebigen Frühstück fühlten sie sich von der anstrengenden Reise halbwegs erholt.
Bevor sie Bruder Jakobus aufsuchten, hatten sie sich beim Bischof vorzustellen. Kein Landesherr mochte es, wenn auf seinem Boden fremde Mächte mit gefährlichen Nachforschungen unterwegs waren.
«Glaubt Ihr dem Wirt?», fragte Antonius.
Sein besorgter Blick ging zur kleinen Fensterlade hinaus. Der Anstieg zur Burg ließ die Stadt und den Fluss immer kleiner werden. Die Fallhöhe nahm zu. Hoffentlich hatten die Pferde und der Kutscher die Sache im Griff. Unter keinen Umständen wollte er Bekanntschaft mit den örtlichen Doktoren machen. Medizin wurde in Italien gemacht, neuerdings auch in England und Frankreich, keinesfalls aber in deutschen Landen.
Crispin fuhr sich durch den spitzen Kinnbart. Er passte gut zu seinem knochigen Gesicht und seiner hageren Erscheinung. Wer nicht um sein Amt als hoher Glaubenswächter wusste, konnte ihn leicht mit einem Doktor der Medizin oder der Rechtswissenschaft verwechseln, und in gewisser Weise war er das ja auch. Er entschied über Recht und Unrecht, diagnostizierte Krankheiten des Geistes und der Seele. In beidem suchte er das Heil.
«Ich bin mir noch nicht sicher. Es könnte alles nur dummes Gerede sein.»
Er musste erst mit seinem alten Freund Jakobus sprechen, gleich nach dem Antrittsbesuch beim Bischof. In seinem Brief hatte er sich besorgt gezeigt, hatte eine kursierende Krankheit mit unklaren Worten beschrieben sowie ein Kind erwähnt, das unter einem bösen Stern geboren worden war. Irgendwie standen beide Ereignisse in Zusammenhang. Wie genau und warum hatte er nicht geschrieben.
Er konnte nur hoffen, dass Jakobus mit dem bösen Stern nicht den Kometen gemeint hatte, der vor kurzem über Rom erschienen war. Der Vorfall hatte Anlass zur Sorge gegeben.
Aus allen Ländern waren ihm Nachrichten zugetragen worden, die man mit der Erscheinung in Verbindung brachte. Von Ohnmachtsanfällen war die Rede gewesen, die ganze Stadtviertel befielen, aber auch von nicht zu bändigender Raserei, die sich in Aufständen entlud, mancherorts gar zur Rebellion gegen die Obrigkeit geführt hatte. Selbst in der Heiligen Stadt war es zu Selbstbezichtigungen gekommen. Einige davon hatten im Freitod geendet. Und schließlich die Denunziationen, die sprunghaft angestiegen waren. Die Welt schien aus den Fugen geraten zu sein.
Papst Urban hatte sich tief besorgt gezeigt. Er hatte sogar Galilei um Rat befragt – den künftigen Ketzer und Aufrührer, sofern die Informationen seines Dieners Pietro stimmten –, was von der Himmelserscheinung zu halten war. Der wusste auch keine rechte Antwort darauf, dozierte aber über Sterne, Kometen und natürlich die Sonne, Galileis Lieblingsthema. Der Mittelpunkt des Universums … So ein Irrsinn, egal, ob er es beweisen konnte oder nicht. War die Erde aus dem Zentrum genommen, würde es ein weit größeres Beben im Volk geben als bei diesem – zugegeben außergewöhnlichen – Kometen.
Die alte aramäische Schrift fiel ihm wieder ein:
Und es treten Ströme Belials über alle Heere, wie Feuersglut vom Himmel herab, die verzehren, um zu vernichten … Und sie breiten sich aus in lodernden Flammen, bis dass verendet jeder, der von ihnen trinkt.
Eigentlich galt die Prophezeiung für Jerusalem. Dort hatte alles begonnen, dort sollte alles enden. Nicht nur für die Christen. Auch die Juden und die Moslems besaßen Quellen, geheime Schriften, die über die baldige Apokalypse Auskunft gaben. Und nach all dem, was er bisher in
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