Die Kinder des Teufels (German Edition)
schnell erfahren, was hier los war und dann zu seiner Arbeit zurückkehren.
«Davon gehe ich aus, werter Generalvikar. Doch was ist mit ihm, wieso sind wir hier und was ist das für eine seltsam rote Platte, auf der er kniet?»
In den Stein war ein Kreuz gemeißelt, an den Seiten Schutzformeln in lateinischer Sprache.
«Es ist der Schutzstein. Er soll die bösen Geister festhalten, damit sie nicht auf uns übergehen.»
«Was wird dem ehrenwerten Vikar vorgeworfen?»
«Eigentlich nichts. Es geht vielmehr darum, was er anderen vorwirft.»
«Und was ist das?»
«Hört selbst.» Er wies auf Vikar Ludwig.
Crispin ging in die Hocke, Antonius tat dasselbe. Sie horchten, was Ludwig da vor sich hin murmelte. Es waren lateinische Worte, fiebrig gesprochen, mitunter unverständlich, scheinbar wirr, zusammenhanglos. Doch ein paar Worte wiederholten sich. Antonius beugte sich näher an Ludwigs Kopf, der noch immer nach unten hing, die Augen fest auf den Stein gerichtet, als schaute er geradewegs hindurch. Die gefalteten Hände hielten einen Rosenkranz.
«Der Herr der Hölle sei mit dir.»
Antonius erschrak. «Allmächtiger. Was redet er da?»
«Eine unheilige Messe zu Ehren des Teufels», antwortete Crispin.
Riedner bestätigte es. «Hört, es geht noch weiter.»
Crispin näherte sich Ludwig, horchte genau hin. Zwischen dem undeutlichen Kauderwelsch aus Latein, Deutsch und einer anderen – vielleicht germanischen – Sprache stach immer wieder ein und derselbe Name hervor: Teufelsbruder Gottfried.
«Er meint den ehrwürdigen Domherr Gottfried von Weyhenstein», erklärte Riedner.
Faltermayer setzte zur Gegenrede an, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Er schenkte sich Wein ein und stürzte ihn in einem Schluck hinunter.
Antonius entging es nicht. «Was ist mit Euch, Meister Faltermayer? Schon vorhin bemerkte ich ein Unwohlsein.»
Faltermayer antwortete nicht gleich, sein Blick ging hinüber zum Kanzler, dann zu Riedner. Die zögerten mit ihrer Erlaubnis, bis Riedner sie ihm schließlich erteilte.
«Dann sprecht, so Gott und Euer Gewissen es befehlen.»
Eine Last fiel von ihm ab. «Der Domherr Gottfried von Weyhenstein mag einem ehrenwerten Haus entstammen, doch sein Lebenswandel ist alles andere als ehrenwert. Um nicht zu sagen: im höchsten Grad unmoralisch.»
«Werdet präziser.»
«Dem hochehrwürdigen Stiftsherren zum Dom wird nachgesagt, einen Bastard mit seiner Haushälterin gezeugt zu haben, nicht der erste, wohlgemerkt. Auf einer Hochzeit ist er vor kurzem betrunken und rüpelhaft gegen die Gäste vorgegangen, auf dass ihn der Bräutigam eigenhändig vor die Tür setzen musste. Glücksspiel, Trunksucht und Hurerei sind ihm ebenso zu eigen wie das Fluchen und …»
«Genug!», fuhr Riedner dazwischen. «Die Herren haben nun eine Antwort auf ihre Fragen bekommen.»
«Was ist nun in diese arme Seele gefahren?», fragte Crispin mit Verweis auf Vikar Ludwig.
Riedner zuckte mit den Schultern. «Wir wissen es nicht. Angefangen hat es vermutlich mit dem Erscheinen dieses obskuren … Sterns oder kurz danach. Von einer Nacht auf die andere war er wie ausgewechselt, rasend vor Zorn und Wahnsinn, sodass ihn vier Brüder bändigen mussten. In einer Zelle verbrachte er Tage, bis die Raserei aus seinem Geist verschwunden war. Er erholte sich, ging zur Beichte, hatte Teil am Abendmahl und den Gebeten im Kreis der Brüder … bis der Wahnsinn erneut über ihn kam. Seitdem ist er in dieser Verfassung, spricht von …», er seufzte, «… heiligen Messen zu Ehren des Satans.»
«Und welche Rolle spielt dieser Domherr dabei?»
«Gottfried von Weyhenstein soll den Messen als Priester vorgestanden haben.»
Crispin ging sich durch den Bart, überlegte.
«Was sagt Gottfried dazu?»
«Der verneint es, vehement.»
«Glaubt Ihr ihm?»
«Natürlich.»
«Obwohl er ein derart lasterhaftes Leben führt?»
Riedner musste aufpassen, dass er nicht jemandem den Rücken stärkte, der zwar formal gegen jegliche Beschuldigung gefeit war, andererseits aber große Verärgerung hervorrief. Sogar der Bischof hatte ihn wegen seines ausschweifenden Lebenswandels bereits gerügt.
«Erhebt sonst noch jemand Anschuldigungen gegen den Domherren?», schob Crispin nach.
Der Kanzler schickte sich zur Antwort an, überließ es dann aber Faltermayer, zu garstig waren die Vorwürfe.
«Ein Junge, zwölf Jahre alt, will ihn am Rennweg gesehen haben, wie er nackt mit einem fremden Weibsbild getanzt hat. Sie priesen dabei laut
Weitere Kostenlose Bücher