Die Kinder des Teufels (German Edition)
Schritte geradeaus bis zu einem abgebrochenem Baumstamm, es folgten der Adlerhorst, eine Lichtung und schließlich die Hütte, hinter dicht beieinanderstehenden Tannen verborgen.
Das letzte Mal war Kathi vor einem Monat hier gewesen. Sie hatte in der Hütte nach Honig und Marmelade gesucht. Sie erinnerte sich noch genau, was sie vorgefunden hatte. Babettes Bettstatt war noch immer ungemacht dagelegen, als wäre sie gerade eben aufgestanden. An der Wand ein Kruzifix, daneben ein Brett, auf dem die paar wenigen Bücher standen, die Babette zu lesen versuchte. Kathi hatte es ihr beigebracht, doch viel lieber hörte Babette ihr zu, wenn sie daraus vorlas. Dabei saß sie neben dem Feuer, stopfte die Löcher in den Socken, reiste mit ihren Gedanken oder verlor sich in die Erinnerungen an den Sommer.
Kathi seufzte. Die Schatten der Vergangenheit lagen schwer auf ihrer Seele. Babettes Hütte war zum letzten Refugium geworden, das ihr noch geblieben war.
Es war eine kleine Hütte mit nur einem Raum. Die Tür würde unverschlossen sein, sie brauchten sie nur aufzustoßen. Babette hatte nie ein Schloss einbauen lassen. Hinausgeschmissenes Geld , hatte sie immer gesagt. Wer sollte mich schon bestehlen?
Aber etwas stimmte hier nicht. Die Tür klemmte. Der strenge Frost der letzten Wochen musste die Angeln festgefroren haben.
«Lass mich mal», sagte Volkhardt.
Er stemmte sich dagegen, drückte und ächzte. «Bist du sicher, dass sie nicht abgeschlossen ist?»
«Sie lässt sich nur von innen verriegeln», beteuerte sie.
Er gab auf. «Keine Chance. Das Ding bewegt sich kein Stück. Gibt es sonst noch einen Weg hineinzukommen?»
«Versuch’s mal über die Holzklappe.»
Die Holzklappe war eine schmale Durchreiche für Feuerholz. Das war bequem, wenn man im Unterhemd nicht in die kalte Nacht hinausgehen wollte, um Brennholz zu besorgen.
Kathi führte ihn zur Hinterseite der kleinen Waldhütte. Unter einem Dachvorsprung befand sich das Holz, teils ungekürzt, teils an der Wand aufgeschichtet. Es war finster, sie sah kaum etwas. Äste und Scheite lagen im Weg, sie stolperte.
«Vorsicht!»
Volkhardt fing sie und Klein Michael auf.
«Ich kann mich gar nicht an so ein Durcheinander erinnern», sagte sie mit schmerzendem Fuß. «Ich habe das Holz doch aufgeräumt.»
«Geh wieder nach vorne. Ich komme allein zurecht. Sag mir nur, wo die Klappe ist.»
Sie zeigte auf die Mitte des Holzstapels. «Ungefähr auf Kniehöhe. Du musst einen Riegel öffnen.»
Volkhardt folgte ihrer Anweisung, und tatsächlich, zwischen den Holzscheiten befand sich eine Aussparung, darin die Klappe mit dem Riegel. Er zog ihn zurück und quetschte sich durch die schmale Öffnung.
Drinnen roch es ranzig. Irgendetwas musste hier gekocht worden sein und faulte nun vor sich hin. Sollte die Hütte nicht unbewohnt sein? Es war besser, vorsichtig zu sein. So zog er den Dolch und hielt ihn abwehrend vor sich. Es war stockdunkel. Mit kleinen Schritten tastete er sich vor, stieß an Hocker und Tisch, bis er die Tür erreicht hatte. Der Riegel war vorgeschoben. Er streifte ihn zurück.
«Bist du sicher, dass hier niemand wohnt?»
Kathi kam herein, blickte misstrauisch ins Dunkel.
«Ja … Niemand kommt hierher.»
«Gibt es was zum Feuermachen?»
«Neben der Durchreiche ist die Feuerstelle, Heu und Reisig. Ein Feuerstein müsste auch dort sein.»
Wenigstens das ging problemlos. Das Feuer züngelte schnell. Endlich fiel Licht in den Raum. Zwei Hocker, ein Tisch, eine Bettstatt mit Strohmatte, ein Regal mit Büchern, eine Truhe, Kräuter und Gewürze. Auf der Feuerstelle befand sich eine Pfanne, darin das Hinterbein eines Tieres, vielleicht das eines Hasen. Auf jeden Fall unberührt und festgebacken in einer stinkenden, grau schimmelnden Fettschicht.
«Hier war jemand», sagte Volkhardt. Seine Hand ging erneut zum Dolch. Er blickte sich um.
«Wie kann es dann sein, dass die Tür von innen verriegelt ist?»
Kathi zuckte mit den Schultern. Das hätte sie auch gerne gewusst.
«Warte», sagte Volkhardt und meinte, dass er den Raum genauer überprüfen wollte, bevor sie sich niederließen. Er hieß sie an die Tür zurückzugehen. Zuvor wollte er sehen, ob sie tatsächlich alleine waren. Er schaute unters Bett, öffnete eine Truhe auf ein mögliches Versteck hin, rüttelte an den Fensterläden, am Türriegel und an der Holzklappe, selbst die Dielen am Boden ließ er nicht aus. Vielleicht war der Eindringling ja von unten gekommen. Aber alles schien in bester
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