Die Kinder des Teufels (German Edition)
Gottfrieds vor dem Bischof. Als dessen Stellvertreter fungierte Riedner.
Der wiederum war alles andere als ein erfahrener Spürhund, der das Böse, das Teuflische in einem Menschen erkennen konnte. Das war Faltermayers Stärke. Der hatte es sich auf einem gepolsterten Stuhl bequem gemacht, trank Wein, aß Käse und Schinken. Er hatte Zeit. Er wusste, wie die nächsten Stunden verlaufen würden, wenn es überhaupt so lange dauerte, bis der armselige Pfaffe Bruder und Schwester verriet, um seine Haut zu retten. Bis dahin gehörte er Riedner und dessen guten Worten. Er grinste bei dem Gedanken. Als ob gute Worte jemals einem Menschen sein Geheimnis entlockt hätten. Wenn jemand beichtete, dann nur im Angesicht des Todes. Oder der Schmerzen.
Crispin und Antonius standen an der Wand, schauten unschlüssig. Eigentlich hatten sie bei der Befragung nichts verloren. Das war Angelegenheit des Bischofs oder seines Stellvertreters. Ihre Aufgabe war, das Teufelskind zu finden. Aber noch immer gab es keine Spur. Einzig die Aussicht, dass dieser schändliche Domherr etwas über seinen Aufenthaltsort wusste, ließ sie weiter ausharren.
«Geh», befahl Riedner dem Erthel sichtlich verärgert, «und hol mir diesen Domherrn herbei. Wenn er nicht umgehend erscheint, werde ich ihn zu weiteren Gebeten in den Kerker befehlen.»
Erthel war alles andere als missgestimmt, die warme Stube verlassen und in die Kälte hinauszumüssen. Einem Domherrn zu befehlen, war jede Mühe wert.
«Ich werde es ihm ausrichten, Euer Hochwürden. Wort für Wort.»
«Beeil dich. Ich bin des Wartens müde.»
Doch kaum hatte der Malefizschreiber die Türklinke in der Hand, trat Gottfried zaghaft ein.
«Verzeiht meine Verspätung», begann er, «meine allabendlichen Gebete haben länger gedauert als gedacht.» Er schaute sich um, wer alles anwesend war. Als er den Hexenkommissar Faltermayer erkannte, schreckte er zusammen. Spätestens jetzt musste ihm der Ernst der Lage bewusst geworden sein, denn er plapperte einfach drauflos – vermutlich um seine Angst unter Kontrolle zu bringen.
«Eine erbarmungswürdige Seele hielt mich auf, bettelte, ihr noch vor Einbruch der Nacht die Beichte abzunehmen.»
«Genug», befahl Riedner, der Ausreden überdrüssig, «begebt Euch dorthin.»
Er zeigte in Richtung des roten Steins, auf dem Vikar Ludwig tags zuvor gekniet hatte.
Gottfried zögerte. Wenn er sich widerspruchslos auf den Schutzstein stellte, konnte das bereits als Eingeständnis seiner Verwicklung mit dem Teufel verstanden werden. Er musste dem roten Stein fernbleiben.
«Verzeiht, Euer Hochwürden», er verschränkte die Hände vor seinem Bauch, «wenn Ihr erlaubt, ein Stuhl käme mir recht. Mein Rücken schmerzt und die Beine sind nicht mehr so stark wie am Morgen. Ich nehme mir gleich diesen hier.»
«Ihr bleibt stehen.»
Gottfried atmete übertrieben laut aus, so, als hätte man ihm eine selbstverständliche Gunst verweigert.
Insgeheim versuchte er jedoch Zeit zu schinden, um zu überlegen, wie er die Anweisung Riedners umgehen konnte. Am Schutzstein gab es wenig Platz zum Ausweichen. Links stand ein Pult, an dem stand der Malefizschreiber und grinste ihn schadenfroh an, rechts eine Sitzbank für die Beschuldigten. Er entschied sich, vor dem Stein haltzumachen.
Zu seinem Glück achtete Riedner nicht weiter auf ihn. Der konzentrierte sich auf eine Liste mit Fragen, die er aus den Büchern zusammengestellt hatte. Faltermayer hingegen entging Gottfrieds Unterfangen nicht. Er war versucht, den frechen Pfaffen zur Ordnung zu rufen, unterließ es aber dann doch. Es war nicht seine Verhandlung, noch nicht.
«Ihr wisst», begann Riedner und blickte von seiner Liste auf, «dass Ihr nach bestem Wissen und Gewissen auf meine Fragen zu antworten habt?»
Gottfried nickte.
«Jedes falsches Zeugnis, das Ihr ablegt, wird ernsthafte Konsequenzen haben. Seid Ihr Euch dessen bewusst?»
Gottfrieds Stimme zitterte. «Ja, Euer Hochwürden.»
«Dann beginnen wir.»
Dem Protokoll entsprechend gab er für alle hörbar dem Malefizschreiber Anweisung, jede Frage und Antwort wortgetreu aufzuschreiben, nichts dazuzudichten oder wegzulassen.
Wieder an Gottfried gerichtet, verlas er die gegen ihn vorgebrachte Anschuldigung.
«Ihr, Gottfried von Weyhenstein, sollt das heilige Sakrament der Messe entehrt und missbraucht haben. Am Sanderanger seid Ihr in Gesellschaft einer nackten Hexe gesehen worden, wie Ihr Brot und Wein, den Leib und das Blut Christi nicht unserem
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