Die Kinder Paxias
deiner Mission dienlich ist dort hinzugelangen, werde ich dir gern behilflich sein sobald dein Heilungsprozess abgeschlossen ist. In meiner Begleitung ist dir ein sicheres Ankommen gewiss.“
„Das wird nicht nötig sein, ich habe einen ausgezeichneten Orientierungssinn!“, erwiderte sie kalt, Ablehnung in den Augen, dass er es für ratsam hielt, für den Moment nicht näher darauf einzugehen.
Eine Gelegenheit dazu sollte es auch nicht geben.
Mit einem vernehmlichen Klopfen betrat Colia den Raum, einen Stapel Bücher und einige lose Aufzeichnungen auf dem Arm tragend. Saya hatte sich am Vortag bereit erklärt, mit dieser einen respektvollen Austausch medizinischen Wissens vorzunehmen, und Iain musste zu diesem Zeitpunkt mit einem Rückzug vorlieb nehmen.
Kapitel 7
„Was sagt Ihr dazu, Iain?“
Nichts.
Was sollte es auch für eine sinnvolle Entgegnung geben, wenn sie einzig auf Versunkenheit in Gedanken basieren konnte?
Keine.
Und genau diese Situation widerspiegelte die augenblickliche Lage des Bruderregenten. Nicht ausreichend, um ihn in Verlegenheit zu bringen, aber ausreichend, um ihn endlich in die unerfreuliche Realität zurückzubringen.
Unerfreulich aus dem einen Grund, seit nunmehr zwei Tagen in diplomatischen Pflichten gefangen zu sein, statt sich dem einzigartig interessanten Gast aus der fremden Welt, fern der Dimensionen Paxias, widmen zu können.
Sein Geist, gefangen in der Erforschung des ungewöhnlichen Widerspruchs zwischen der aggressiven Wildheit, der interessierten Gelehrtheit und dem ausgeprägten synaptischen Fassungsvermögen Sayas, war nicht bereit gewesen, annähernd genug Kapazitäten freizugeben, um dem Gegenüber gerecht zu werden.
Fast zwei Tage schien niemand seine sonst so unverbindliche Freundlichkeit und seine diplomatischen Vermittlungsfähigkeiten vermisst zu haben. Keine Forderungen nach ungeteilter Aufmerksamkeit waren an seine Ohren gedrungen.
Bis zu diesem Zeitpunkt.
Der Zwang sich nun neben seines Studiums auch noch von seinem wertvollen Gedankengut zu trennen, das vornehmlich dunkle, sternschimmernde Augen herrschend beherbergte, war ihm mehr als zuwider und kostete ihn nur schwer zu erreichende Überwindung.
Dunkel, jedoch von anderer Qualität, war auch der Blick, der seit der Ansprache unverwandt auf ihm geruht hatte. Abwartend.
Iain registrierte noch etwas anderes, mehr als das reine Verlangen nach einer Antwort, hinausgehend über die einfache Verbindung, die bei einem respektvollen Gespräch entstand. Es schien wie eine Lockung, eine Verheißung auf Intensivierung der Ebene ihrer Bekanntschaft.
Kein seltenes Erlebnis für ihn – im Gegenteil - aber die Art seiner Erkenntnisfindung verdiente die Bezeichnung einzigartig.
Die kraftzehrende, hochsensible Arbeit der vergangenen Woche einen Zugang zu Sayas Wesen zu finden, den Kontakt mit ihr aufzubauen und aufrechtzuerhalten, musste seine Sinne geschärft haben. Als wäre er ein Empath, übertrug sich ihm die Gefühlswelt seines noch geduldigen Gegenübers – bot sich ihm wie ein geöffnetes Buch – und weckte endlich sein Interesse.
Nandini war eine Abgesandte vom Volk der Nacht und das jüngste Kind und einzige Tochter des aktuellen Herrschers.
Ihretwillen hatte man für die Zeit ihrer Anwesenheit alle öffentlichen Räumlichkeiten in ein angemessen verträgliches Halbdunkel getaucht. Sie reagierte mit einem verhaltenen Lächeln, als ihr Iains Wille zur Rückkehr in die Konversation gewahr wurde. Eine Geste, die fast über das Naturell ihrer Abstammung hinausging.
Wie Iain aus Erfahrung wusste, waren die Wesen der Nacht kühler, distanzierter Art. Fröhlichkeit und Lachen Fremdwörter für sie. Sicher ein Resultat ihrer düsteren Umwelt und stillen, sehr einsamen Lebensweise. Ihre dunkle Optik fügte sich dabei nahtlos in das Bild ihres Charakters.
Und Nandini war ein perfektes Beispiel nächtlicher Schönheit. Sonst die blasse Haut an die schwarzblaue Farbe ihrer Augen und dem glatt geflochtenen Zopf angepasst - eine ideale Tarnung für die nächtliche Fortbewegung - und den Körper bis auf die obere Gesichtspartie in dunkle Tücher gehüllt, erkannte man deutlich ihr ehrliches Bestreben, sich ihren Gastgebern möglichst angenehm zu machen.
Zwar bevorzugte sie auch weiterhin das nächtliche Blau in der Farbwahl ihrer Kleidung, doch entsprach ihr Schnitt den einfachen Kleidern, die die weiblichen Bewohner Paxias zu tragen pflegten – knöchellang und an der Taille und Hüfte gegürtelt.
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