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Die Kinder Paxias

Die Kinder Paxias

Titel: Die Kinder Paxias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Feder
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Beobachten reichte aus, um ihm diese Tatsache zum Begriff werden zu lassen.
    Zeichen für Zeichen bildete ihre Gestalt die Elemente des Alphabets, seine Anwesenheit unbeirrt ignorierend. Es widersprach ihrer Art, eine selbstgestellte Aufgabe nicht zu vollenden.
    Für Iain bedeutete es die Möglichkeit, sich ungehindert der Betrachtung des Mädchens hingeben zu können. Ihre wilde Lockenpracht, die nahezu ihren gesamten Rücken bedeckte, sich strähnenweise bis zur Taille ringelte, war von einem Schwarz, dessen Tiefe er sonst nur bei einem Wesen der Nacht bewundern durfte. Aber Sayas Haar fehlte der bläuliche Schimmer, der diesen zu eigen war. Es schien, als wolle ihr Haar alle Dunkelheit der Welt in sich aufnehmen und verschlingen. Eine bedrohliche Vorstellung. Und doch sah Iain nur die fremde Schönheit und spürte die Versuchung in sich erwachsen, dieses Kunstwerk Paxias zu berühren, die unergründliche Fülle unter seinen Fingern zu fühlen. Dieser Empfindung ausweichend, bevor sie sich zu einer gefährlichen Bedrohung seiner ruhigen Sicherheit manifestierte, widmete er sein Interesse der Verfolgung des Gesamtbildes ihrer Kraftaufwendung.
    Keine weitere Bekleidung als das Hemd tragend, zeichneten sich mittlerweile die Folgen des Energieverbrauchs ab, die zunehmend Verräter an Saya und ihrem realen Zustand wurden.
    Winzige Tropfen bildeten sich an ihren Beinen, perlten in schmalen Pfaden über ihre Glieder. Sie nahmen Iains Aufmerksamkeit gefangen, der seinen Blick, wie unter einem Bann, auf den ersten Anzeichen der Erschöpfung dieses Wesens seit ihrer Ankunft verweilen lassen musste. Wie metallene Reflektionen spiegelten sie den silbrigen Schimmer ihrer sonst reinweißen Haut, erhellten in leuchtenden Punkten den grauen Steinboden unter ihr.
    Welcher Art war das Blut in ihren Adern, das solch beeindruckende Naturwunder – einzig durch die Kraft der physischen Anstrengung - zu erzeugen in der Lage war?
    Dann war alles vorbei.
    Mit ihrer eigenen Geschwindigkeit, die ihn unlängst nicht mehr verwundern sollte, hatte sie sich in einer, kaum als Salto zu identifizierenden Bewegung, in eine sitzende Position auf dem Bett gebracht und wandte ihm nun endlich ihr Gesicht zu.
    Aber Iain war völlig abgelenkt von dem Anblick des festen Verbandes, den Colia ihm mit ihrer bildhaften Schilderung bereits nahegebracht hatte. Genug, um ihn voll neugieriger Bewunderung zu betrachten.
    Die Richtung seiner Beachtung konnte Saya nicht verborgen bleiben, und ein ironisches Lächeln wehte hauchgleich über ihre Züge, während sie seinem langsamen Nahen entgegensah. Bis an ihre Bettkante wagte sich sein Forschergeist, ehe ihre Regungslosigkeit und wachsames Beobachten ihn innehalten ließen. Ihre Augen trafen sich, und er wies behutsam auf ihre Verbandskonstruktion, um ihr sein Vorhaben in einer Bitte deutlich zu machen.
    „Darf ich?“
    „Nur zu“, der sarkastische Tonfall ihrer Stimme war ihr nicht vermeidbar – zu unsinnig erschien ihr das aufgeregte Verhalten dieser Wesen über ein Wissen, welches ihr Allgemeingut war. Selbst der Forscher vor ihr, der nun mit gründlicher Vorsicht die erhärtete Selenitverbindung mit dem Zellstoff erkundete, konnte sich der Faszination neuer Erkenntnisse nicht entziehen und benahm sich ähnlich erregt, wie die Kräuterkundige, die ihr bei ihrer Arbeit eine wirkungsvolle Hilfe gewesen war. Nun war es an dieser, für die Verbreitung und weitere Nutzung dieser Naturrezeptur Sorge zu tragen.
    Iain brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten, um ihre steigende Ungeduld, ihre verabredete Diskussion endlich zu beginnen wahrzunehmen und löste sich bedauernd von der, in der Konsistenz veränderten Beschaffenheit ihrer Bandage. Ihren Unmut vermeidend, setzte er sich auf den Stuhl neben dem Fußende des Bettes und umfasste mit lässiger Ruhe sein angewinkeltes Bein, das Kinn auf dem Knie abstützend.
    Stumm wechselten Blicke zwischen den wesensfremden Parteien, einer die Stimmung des anderen abschätzend.
    Beide abwartend.
    Solange Sayas innere Ausdauer dies zuließ.
    Nicht sehr ausgeprägt, wenn es um andere Themen als kämpferische Auseinandersetzungen ging, war ihre Beherrschung dem Nichts gefährlich nah, als sie das Wort an sich riss und ihn an ihre Frage gemahnte, die er alles andere als erschöpfend – geschweige denn zufriedenstellend – beantwortet hatte. Damit sicherte sie sich im letzten Moment ihr inneres Gleichgewicht, bevor erneut eine unbedachte Reaktion ihn zum Rückzug veranlassen

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