Die Kinder Paxias
Selbstverständlich waren die verwendeten Materialien, im Gegensatz dazu, alles andere als einfach. Federleichte Seide umhüllte die Rundungen des jungen Wesens und ein durchsichtiges Tuch, bestickt mit filigranen, glitzernden Strukturen, bedeckte ihre rechte Schulter samt Oberarm, fiel zu beiden Seiten ihres Körpers wie ein Schleier herab, gehalten von dem aufwändig, mit schimmernden Perlen besetzten, geflochtenen Gürtel.
Mit keinerlei Unregelmäßigkeiten in den feinen Zügen, war sie fürwahr ein Kunstwerk der Schöpfung Paxias. Dennoch, dieses Kunstwerk erzeugte in Iain nicht das geringste Echo.
Er wusste, sein Bruder und der Herrscher des nächtlichen Reiches würden eine Verbindung zwischen ihm und Nandini mehr als begrüßen. Oft genug hatte ihm dies Drako mit weisenden Bemerkungen zu verstehen gegeben. Angeblich hatte es bereits in vergangenen Zeiten ähnliche Zusammenschlüsse gegeben – unbestätigte Überlieferungen sprachen von einer Tochter des Windes mit einem Sohn der Nacht.
Iain hatte sich bisher jeglicher Stellungnahme enthalten. Der Unfriede, verbunden mit einer offenen Konfrontation mit seinem Bruder, schien ihm nicht erstrebenswert. Und bei diesem Thema konnte er nicht auf Liannas Vermittlung zählen. Sie vertrat die gleiche Ansicht wie ihr Gemahl.
Dennoch brachte genau diese unerfreuliche Tatsache auch dankenswerte Hoffnung auf Hilfe für seine gegenwärtige Verlegenheit.
Und diese ließ nicht lange auf sich warten. Ein unsicherer Blick neben sich - in wolkenlos blaue, fragende Augen - genügte, um seine Schwägerin eingreifen zu lassen. Sie war sichtlich erleichtert, endlich etwas gegen die unhaltbare, schweigsame Situation unternehmen zu dürfen.
Sie nutzte die subtile Erlaubnis die Gesprächsleitung zu übernehmen, mit einer Antwort auf Nandinis, noch immer im Raum stehender Forderung nach Meinungsaussprache.
„Gestattet mir an Iains Stelle zu antworten, Nandini.
Da mein Gemahl und ich zu besagter Zeit beim Volk des Windes weilten, kann ich aus erster Hand von der Ursache des Sturmes berichten.“
Lianna hielt gerade lang genug inne, um sich des Einverständnisses und der Aufmerksamkeit der Abgesandten zu versichern, während ihr Schwager sich erleichtert zurücklehnte. Diesmal ernstlich bemüht, mit den Gedanken beim aktuellen Thema zu bleiben, um allen Anwesenden eine weitere, unhöfliche Unkonzentriertheit zu ersparen und entschlossen, gegen seine ungeduldige Wortkargheit anzukämpfen.
„Der Ursprung dieses gewaltigen Orkans kam definitiv aus den Reihen des Windvolkes. Sie teilten dies uns im Zustand der Fassungslosigkeit mit.
Die Tatsache, dass alle Zugehörigen des Volkes zu Sturmbeginn in ihrer Heimat weilten und somit unbekannt blieb, wer schuldig dieser grausamen Tat war, wer seitdem unzählige Leben auf dem Gewissen hat, verursachte eine regelrechte Panik.
Niemand von ihnen war in der Lage den Auslöser zu erkennen. Nicht einmal der Herrscher, dessen Mächte beim Versuch, dem Orkan ein Ende zu bereiten versagten.
In ihrer Ratlosigkeit entstand dann endlich die Idee, die Kräfte aller Mitglieder des Volkes zu vereinen.
Sie beriefen eine Versammlung in ihrem Allerheiligsten, der Windkammer, ein – leider blieb uns der Zutritt verwehrt. Doch noch bevor die Tür hinter den letzten Nachzüglern geschlossen wurde, trat absolute Stille ein.
Der Sturm hatte ausgetobt. Nebel und Halbdunkel an seine Stelle getreten.
Es war eine unendliche Erleichterung für alle von uns und ebenso unbegreiflich gewesen.
Ein wahrhaft angsteinflößendes Ereignis – ungewiss, ob jemals erhellende Erkenntnisse gefunden werden können.
Kein Dämon war am Werk gewesen, der ihnen versucht hatte, die Kräfte zu entreißen.
Ich sage das, weil viele Mitglieder meines Volkes zu dieser Annahme verleitet worden waren“, hier tauschte sie einen verständnisinnigen Blick mit ihrem Schwager, keine weiteren Informationen über die Quelle dieser Vermutungen offenzulegen.
Der Tumult heranströmender Abgesandter, der sicher über Saya einbrechen würde, würde ihre Anwesenheit über die Grenzen dieser Festung hinaus bekannt werden, wäre keine Hilfe ihr wachsendes Vertrauen und Entgegenkommen aufrechtzuerhalten oder sogar weiter auszubauen. Außerdem entständen dadurch mit Sicherheit reichlich Gelegenheiten, ihr das Verlassen dieses Ortes zu ermöglichen, um unten auf dem Boden Paxias ihre Genesung zu vollenden – fern ihres Entdeckers und der vielen noch unbeantworteten Fragen ihrer gegenwärtigen
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