Die Kinder Paxias
an Gründlichkeit zu verlieren.
„Keine Knochenbrüche, keine inneren Verletzungen zu erfühlen. Deine Hüfte hat eine schwere Prellung erlitten und wird sich dir noch einige Wochen bemerkbar machen. Ansonsten beschränkt sich deine Läsion auf Schürfwunden und Blutergüsse“, war ihre abschließende Diagnose, bei der ihre Patientin sich aufrichtete und nun der Gelehrten gegenüber saß.
„Die offenen Wunden werde ich reinigen – dank des wachen Verstandes Cassias steht uns ja abgekochtes Wasser zur Verfügung.“
Sichtlich erfreut über das Lob, beeilte das schweigsam gewordene Kind sich, der Gelehrten zur Hand zu gehen. Hilfreich riss sie ein Laken in kleine Stücke, durchtränkte diese mit dem ausreichend abgekühlten Nass und reichte sie Saya sobald diese Bedarf andeutete.
„Immerhin habe ich auf diese Weise ein interessantes Talent an mir entdeckt: Die Fähigkeit innerhalb eines Strudels einen Wellenritt mit einer Klippenbegegnung zu meistern, ohne ernsthaft Schaden zu erleiden“, scherzte Kaeli und hob den Blick von ihrer Beobachtung, wie Saya eine Abschürfung an ihrem Oberarm von Sand und Blut befreite.
Der ungewöhnlich melodische Klang der hellen Stimme, lenkte Saya von ihrem Handeln augenblicklich ab. Sie hielt inne – erstaunt über die perfekte Reinheit der Töne, die dieses Mädchen nutzte, um Wörter zu formen.
In deren Augen funkelte ein lebhaftes Türkis.
Türkis – wie das bewegungsarme Meer an einem sonnigen Sommertag.
Fehlte Saya bis zu diesem Zeitpunkt noch ein Beweis, wirklich ein Wesen aus dem Reich des Meeres vor sich zu haben – nun war er erbracht.
Sie erinnerte sich der Passagen ihrer studierten Bücher, in denen vom Meeresvolk die Rede gewesen war.
Ähnlich den Wesen aus dem Reich des Himmels, unterlagen auch ihre Augen dem Gefühls diktierten Farbwechsel – in ihrem Fall jedoch im Stimmungsspiel des Meeres. Außerdem vermochten sie die Klangfarbe ihrer Stimme einzusetzen, um einen hypnotischen Einfluss auf ihre Außenwelt auszuüben.
Eine Vorstellung, die Saya Unbehagen genug einflößte, einen misstrauisch vorsichtigen Schein in ihren Augen aufleuchten zu lassen. Der verlockende Gedanke drängte sich ihr auf, dem Mädchen mit einem entwaffnenden Knebel ein Anwendungsverbot zu erteilen. Doch sie verwarf ihn nach kurzer Abwägung wieder.
Diese wertfreie Vorsichtsmaßnahme ihrerseits, würde das Mädchen wahrscheinlich als feindlichen Affront verstehen und ihre Kooperationsbereitschaft dämpfen. Ein Geschehen, welches in Niemandes Sinne war.
Was das restliche Erscheinungsbild Kaelis betraf, so unterschied sie sich kaum von den Paxianern, die Saya bisher aus der Ferne gesehen hatte. Ihre Haut hatte keine besondere Färbung, wie die der Gelehrten, und ihr Gesicht war zwar auffallend fein gezeichnet mit harmonischen Proportionen, wies jedoch außer diesen, sie als schön zu deklarierenden Attributen, nichts Ungewöhnliches auf.
Übrig blieb einzig die kleine, sehr grazile Statur des Mädchens, die nicht nur für das Wachstum eines Paxianers atypisch war. Selbst Liannas zierliche Gestalt würde sie um mehr als eine Fingerlänge überragen. Eine Tatsache, die die Gelehrte veranlasste, ihr Wissen über die Meereswesen korrigierend zu erweitern.
Mit dem Wegwerfen des blutgetränkten Leinentuchs, beendete Saya die Wundversorgung und wiederholte Cassias verschobene Frage, bevor das Kind, welches dicht an Kaeli geschmiegt dasaß und im wärmenden Flackern des Feuers mit dem Einschlafen kämpfte, seine Energie sammeln konnte, um ein aufgeregtes Gesprächswirrwarr zu beginnen.
„Was genau ist da draußen eigentlich passiert?“
Forschend musterte Kaeli die fremde Gelehrte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und blaugrüne Auge trafen in blinkendes Sternenschimmern.
„Wie wäre es erst einmal mit einer formellen Vorstellung? Cassia hat dich nicht ohne Grund mitgebracht, und ich nehme sicher an, keine Paxianerin in dir zu entdecken.“
Saya akzeptierte die indirekte – wenn auch sehr freundlich formulierte - Forderung mit einem leichten Nicken.
„Ich bin Saya vom Volk der Sternwächter.“
„Ich freue mich dich kennenzulernen, Saya vom Volk der Sternwächter und danke dir für deine Hilfsbereitschaft. Mein Name ist Kaeli. Ich bin eine Tochter des Meeres.
Leider fürchte ich, dass bei der Vorstellung von eben, meine Glaubwürdigkeit in dieser Hinsicht arg getrübt sein muss.“
„Keine Sorge“, im Angesicht Kaelis unwiderstehlicher Selbstironie, ließ sich Sayas
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