Die Kinder von Alpha Centauri
Kugelzapfen
miteinander verbunden. Zwei von diesen Moduln stellten die
Hauptbefestigungspunkte des Rings an der Spindel dar und waren fest verankert;
die übrigen vierzehn konnten sich um ihre Zwischenmodulträger drehen und die Bodenwinkel
im Verhältnis zur zentralen Spindelachse verändern. Infolge dieser Konstruktion
variabler Geometrie konnte die radiale Kraftkomponente durch die Rotation mit
der Exialkomponente durch den Schub auf solche Weise kombiniert werden, daß zu
allen Zeiten im ganzen Ring ein normales Maß an simulierter Schwerkraft
bestand, gleichgültig, ob das Raumschiff beschleunigt wurde oder im freien
Fall flog, wie das während des größten Teils der Reise der Fall gewesen war.
Die Ringmoduln enthielten alle Einrichtungen für Wohnen, Arbeiten,
Erholen, Herstellen und Landwirtschaft, die bei der Entwicklung von
Raumkolonien erprobt worden waren, und beherbergten, bis das Schiff sich Alpha
Centauri näherte, rund dreißigtausend Menschen. Da die
Kommunikationsverzögerung zur Erde und zurück jetzt neun Jahre betrug, war die
Gemeinschaft in allen Angelegenheiten autonom - eine Gesellschaft, die sich
selbst versorgte und selbst regierte. Sie besaß ihr eigenes Militär, und da die
Planer des Unternehmens verpflichtet gewesen waren, alle vorstellbaren
Möglichkeiten und Abläufe in Betracht zu ziehen, war das Militär auf alles
vorbereitet angetreten; man konnte keine Verstärkungen anfordern, wenn es
Schwierigkeiten gab.
Der den Waffen gewidmete Teil der »Mayflower II« war das eine Meile lange
Kampfmodul. Es war an der Spindelspitze angebracht, konnte sich aber im
Notfall abkoppeln und unabhängig als Kriegsschiff operieren, ausgerüstet mit
genug Feuerkraft, um jede der beiden Seiten im zweiten Weltkrieg mühelos
überwältigt zu haben. Es konnte Fernstrecken-Selbstlenkraketen abschießen, die
ein Ziel auf fünfzigtausend Meilen Entfernung anzusteuern vermochten; Orbitalstationen
für Oberflächenbombardierung mit unabhängig gezielten Bomben oder
Strahlenwaffen aussetzen; hochfliegende Sonden und Unterwasser-Sensoren,
Bodenangriffs-Flugzeuge und geländeangepaßte Marschflugkörper in planetarische
Lufthüllen hinunterschicken; und eigene Bodentruppen landen. Unter anderem
führte sie viele Atomwaffen mit.
Das Militär verfügte über eine Anlage zur Verarbeitung von Sprengköpfen
und Herstellung von Ersatzgerät, die als Vorsichtsmaßnahme gegen Unfälle und
als Gewichtsersparnis weit hinten im Ende der Spindel untergebracht worden war,
hinter dem riesigen Strahlungsschild, der den Rest des Schiffes gegen den Ausstoß
des Hauptantriebs abschirmte. Offiziell hieß sie Sprengkopf- Nacharbeit und
-Lagerung, inoffiziell sagte man »Bombenfabrik« dazu. Niemand arbeitete dort.
Maschinen sorgten für den Routineablauf, und Ingenieure erschienen nur in
unregelmäßigen Abständen, um Inspektionen vorzunehmen oder besondere Reparaturen
auszuführen. Nichtsdestoweniger war es eine militärische Einrichtung mit
Kriegsmaterial, die den Vorschriften zufolge bewacht werden mußte. Die
Tatsache, daß es sich ohnehin praktisch schon um eine Festung handelte,
elektronisch gegen unbefugten Zutritt selbst einer Fliege geschützt, fiel nicht
ins Gewicht; den Vorschriften zufolge mußten Anlagen mit Kriegsmaterial von Wachen bewacht werden. Und so etwas zu bewachen, mußte nach
Colmans Meinung die miserabelste, bescheuertste Aufgabe sein, die das Militär
zu vergeben hatte.
Das waren seine Gedanken, als er und Sirocco eingemauert in ihren
schweren Schutzanzügen hinter einem Fenster im Wachraum neben der Panzertür
der Anlage saßen und auf die Korridore hinausstarrten, die in zwanzig Jahren
niemand begangen hatte, der nicht dazu gezwungen gewesen war. Hinter ihnen war
Gefreiter Driscoll in einen Sessel gezwängt und sah sich auf einem der
Bildschirme an der Kom-Wand einen Film an, den Ton auf seinen Anzugfunk
geschaltet. Driscoll hätte draußen Rundgänge machen müssen, aber auf dieses
Ritual verzichtete man, sobald Sirocco den Wachdienst Bombenfabrik befehligte.
Vor ungefähr einem Jahr hatte jemand von Kompanie D die Tatsache genutzt, daß
in den schweren Schutzanzügen jeder gleich aussah, indem er die
Videoaufzeichnung eines pflichteifrigen, längst vergessenen Postens in das
TV-Überwachungssystem einspeiste, mit dem höhere Offiziere ab und zu
herumspionierten, und seitdem hatte aus der Einheit niemand mehr Rundgänge
gemacht. Die Kameras wurden stattdessen dazu benutzt, Vorwarnung für
unerwartete
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