Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
Vom Netzwerk:
war der Kopf. Er war groß wie der eines Erwachsenen und breiter als lang. Buschige Brauen unter einer kurzen, fliehenden Stirn überschatteten runde Kulleraugen von wässriger Farbe. Die Nase war spitz wie eine Schnauze, mit großen, feuchten Nüstern. Unnatürlich breit streckte sich der lippenlose Mund, sodass die Ohren nur deshalb so weit hinten am Kopf zu liegen schienen, um ihm Platz zu machen. Zwischen schief stehenden Zähnen zuckte eine grüne Zunge hervor.
    Der Blick der glupschenden Augen flitzte hin und her, als suchte der Gnom einen Fluchtweg. Auf dem Rücken liegend, versuchte er wie eine Spinne auf Händen und Füßen beiseite zu krabbeln.
    »Hier geblieben!«
    Das Wesen wandte den Kopf in Richtung des Sprechers und zuckte erneut zurück. Hagen hatte sich inzwischen aufgerappelt. Die Klinge seines Speers war nur eine Handbreit von den Augen seines Opfers entfernt, und die scharfe Spitze kam langsam näher.
    Das grünhäutige Wesen wurde noch blasser. »Nicht«, quäkte es bittend. »Oh, durchbohr mich nicht, nicht mit dem scharfen Speer, mächtiger Sohn Dôns! Tu dem armen Piskey nichts zuleide.«
    »Ein Piskey«, sagte Hagen. »Habe ich es mir doch gedacht.«
    Siggi kam aus dem Staunen nicht heraus. »Du kennst dieses Wesen?«
    »Kennen«, meinte Hagen, »wäre zu viel gesagt. Ich habe davon gehört. Die alten Leute von Camelot erzählen sich Geschichten darüber. Ein Kobold von der üblen Sorte. Einer, der den Menschen böse Streiche spielt und sie in die Irre lockt. Ist es nicht so, Piskey?« Er stieß mit dem Speer nach dem Geschöpf, das am Boden lag, und der Piskey wich erschreckt zurück.
    »Lass ihn«, sagte Siggi. »Er hat uns nichts Böses getan.« Abgesehen davon, dass er mich gebissen hat, fügte er in Gedanken hinzu, aber das war wohl eher in Notwehr geschehen. »Vielleicht kann er uns helfen.«
    Der Piskey sah ihn mit einem Auge an, ohne mit dem anderen die Speerspitze aus dem Blick zu verlieren. Er nickte eifrig. »Helfen«, sagte er. »Ja, ja. Ich helfe den hohen Herren, wie ich es kann; gern, ja. Ein Piskey ist immer sehr hilfreich …«
    Hagen ließ sich nicht erweichen. »Was weißt du von dem Grünen Mann?«, fragte er, ohne den Speer sinken zu lassen. »Wohin ist er gegangen?«
    Der Piskey blickte verwirrt drein. »Ich … ich weiß nichts … Nichts gesehen hab ich, von keinem grünen Mann nicht. Nur Blätter im Wind.«
    »Sehr hilfreich!«, sagte Hagen ätzend. »Und verlogen. Ich traue ihm nicht.«
    »Warte«, warf Siggi ein. »Da wäre noch etwas.« Und an den Piskey gewandt: »Wohin führt dieser Weg durch die Hügel? Was liegt an seinem Ende?«
    Die Augen des Piskeys gingen wieder von einem zum anderen. »Ich weiß nichts«, begann er erneut. Hagen hob den Speer. »Oh, den Ley meint ihr, die Alte Grade Spur. Ja, sie führt weit, weit über die Hügel … durch die Vergangenheit … aber wohin?« Er zuckte die Schultern. »Wer weiß, wohin?«
    »Zu einem Turm vielleicht?«, meinte Hagen lauernd.
    »Dem Turm aus Glas –« Der Piskey hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, als er merkte, dass er sich verplappert hatte. Die Schwimmhäute zwischen seinen Fingern zitterten.
    Hagen und Siggi blickten sich viel sagend an.
    »Oh, es ist ganz einfach«, beeilte sich der Piskey zu versichern. »Ihr folgt einfach der Alten Graden Spur, und sie wird euch am Ende zu dem gläsernen Turm hinführen. Nichts einfacher als das.« Er nahm die Hand vom Mund und sie sahen, dass er grinste, von einem Ohr zum anderen.
    »Glaubst du ihm etwa?«, fragte Hagen.
    »Nicht die Bohne«, entgegnete Siggi.
    »Aber ich weiß, wie wir da sichergehen können«, sagte Hagen. »Er kommt mit. Er wird uns führen.«
    »Ich dachte, du traust ihm nicht.«
    »Ihm nicht, aber dem hier.« Hagen wies auf den Speer in seiner Hand. »Solange ich das hier habe, wird er keine größeren Dummheiten machen. Wir dürfen ihn nur nicht aus den Augen lassen.« Er stieß mit dem Speer nach dem Piskey. »Steh auf!«, befahl er.
    Der Piskey krabbelte auf seine Füße. »Es geht nicht«, behauptete er. »Man kann nicht. Die Herren aus den hohen Häusern, die Meister von Speer und Schwert, ja, die können dorthin gelangen, vielleicht; ich weiß es nicht. Nicht aber der arme Piskey. Es ist einer der Drei Unmöglichen Orte von Prydain, wisst ihr das nicht?
    Die drei Orte, die keiner kennt:
    Der Ort des Kelches jenseits der Sterne;
    Der gläserne Turm, wo Merlin schläft;
    Das Wunder der Welt, ein Grab für Arthur.«
    Von Arthur

Weitere Kostenlose Bücher