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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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was geschah dort? Was, glaubst du? Natürlich war sie schon einem anderen versprochen, und der kam auf Pwyll zu und bat ihn um eine Gunst. Du weißt, was das heißt, eine Gunst?«
    »So was wie ein Gefallen?«, meinte Siggi.
    »So ungefähr. Nur dass man sie nicht mehr zurücknehmen kann, wenn man einmal Ja gesagt hat. Wusstest du das? Pwyll jedenfalls wusste es nicht. Und so gewährte er sie!« Der Piskey lachte. Es klang nicht besonders angenehm. »Ohne vorher zu fragen! Ist das Großzügigkeit oder Dummheit?
    Dummheit, sage ich«, beantwortete er sogleich seine eigene Frage. »Denn der verschmähte Bräutigam verlangte nichts anderes als – Rhiannon! Ein kluger Bursche.
    Zum Glück war sie klüger als er. Sie schlug vor, da das Fest ohnehin verdorben sei, die Hochzeit um ein Jahr zu verschieben. Und dann erzählte sie Pwyll von ihrem Plan: In der Nacht vor dem Hochzeitsfest sollte sich Pwyll mit hundert seiner Männer in der Nähe des Hauses verstecken. Dann sollte er selbst sich als Bettler verkleidet ins Haus schleichen, mit einem großen Beutel, den er sich mit Abfällen füllen lassen sollte. Rhiannon wollte dafür sorgen, dass er genug davon bekam, und würde dann ihren Bräutigam bitten, das Essen im Sack festzustampfen. Und dann würde sie die Schnüre zuziehen und ihn in dem Sack einschließen.
    So war es geschehen und Pwyll hatte seine Männer zusammengerufen. Sie waren so lange gegen den Beutel getreten, bis der Gefangene um Gnade gebettelt hatte. Erst als er versprochen hatte, auf Rhiannon zu verzichten und nie wieder auf Rache zu sinnen, hatte man ihn freigelassen. Und Pwyll hatte Rhiannon geheiratet.«
    »So nahm dann alles doch noch ein glückliches Ende«, stellte Siggi fest.
    »Glückliches Ende?«, schnaubte der Piskey. »Das war erst der Anfang von allem.«
    Sie kamen wieder aus dem Nebel heraus, und die tief stehende Sonne blendete sie. Als sie den höchsten Punkt der gerundeten Kuppe erreichten, breitete sich vor ihnen das nächste Tal aus. Der Weg, dem sie folgten, führte direkt hinein, doch es sah so aus, als sei der Nebel dort unten nicht mehr ganz so dicht wie zuvor. Die Sonne durchzog ihn mit einem rötlichen Schimmer, sodass der Dunst zu brennen schien.
    Zur Linken blinkte Wasser, und ein Rauschen drang an ihr Ohr. Als unaufhörliches Murmeln hatte es schon eine Zeit lang den Hintergrund aller Geräusche gebildet, ohne dass man es richtig wahrgenommen hatte. Nun wurde deutlich, um was es sich handelte. Voraus lag das Meer.
    Und auf der Kuppe des Hügels vor ihnen, der wie eine Halbinsel in die dunkle Flut hinausragte, erhob sich – ja, was?
    Es war noch immer nicht deutlich zu sehen. Manchmal glaubte man ein Gebäude zu erkennen, eine Burg, mit Zinnen bewehrt. Dann war es wie ein Turm, doch seine feste Gestalt schien sich aufzulösen und sich aus den Teilen wieder neu zusammenzufügen. Ja, es war unmöglich, eine Einzelheit genau ins Auge zu fassen; sofort verschwamm sie vor dem Blick, als ob Wasser darüber flösse. Nur wenn man woanders hinsah und den Turm auf dem Hügel nur aus den Augenwinkeln wahrnahm, konnte man etwas von seiner wirklichen Gestalt erahnen.
    »Weiter, weiter«, drängte der Piskey. »Wir wollen den gläsernen Turm doch vor dem Abend erreichen. Wer weiß, ob er nicht verschwindet, wenn die Nacht hereinbricht, he-he-hee!« Sein plötzlicher Eifer, nachdem er sich alle Mühe gegeben hatte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, war etwas unheimlich. »Schaut, er verschwindet schon jetzt …«
    »Pass auf, dass du nicht verschwindest«, knurrte Hagen. »Noch bin ich mit dem Speer hinter dir.«
    »Aaah«, seufzte der Piskey und setzte sich watschelnd wieder in Bewegung. »Der tapfere Sohn Dôns. Der mutige Sohn Dôns mit dem scharfen Speer. Ob er auch so viel Mut zeigt, wenn …« Seine Stimme verklang in einem Brummen und Grollen, als er vor sich hin murmelte. Dann sah er wieder scharf auf. »Der dumme Piskey kann ihm gar nichts bieten, was? Nicht eine schöne Geschichte wie dem tapferen Sohn Llŷrs.«
    »Das Einzige, womit du mich reizen könntest, wäre was zu essen«, knurrte Hagen.
    »Oh, soll der kleine Piskey für den großen Sohn Dôns auf die Jagd gehen? Denn sonst gibt es wohl hier nichts zu essen und die hohen Herren werden hungers sterben. Wie bitter …«
    »Ich kann selber für mich sorgen«, meinte Hagen kurz angebunden.
    »Ah, der Sohn Dôns ist selbst ein Jäger, was? Soll der brave Piskey es ihm zeigen?«
    »Warum nennst du uns so?«, fragte Hagen.

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