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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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… Sorge … Sorge heißt das … und die Sorgen … hast jetzt du … he-heheey … «
    Der Piskey lachte sein meckerndes Lachen. Seine Umrisse verloren an Schärfe, als er von dem Glas zurücktrat. Ein langer Arm winkte zum Abschied. Die Flossenhand verschmolz zu einem unförmigen Klumpen. Dann verschwamm die Gestalt und verblasste.
    Siggi war allein.
    »Hagen?« Verdammt! Irgendwie musste es doch möglich sein, mit seinem Freund Kontakt aufzunehmen. Siggi holte tief Luft und schrie mit aller Kraft: »Hagen!!!«
    Er lauschte in die vom Hall erfüllte Stille. Irgendwo wisperte es wie von menschlichen Stimmen. Die gläsernen Wände trugen die Geräusche weiter, von einer zur anderen.
    Die Wände! Wenn sie den Schall leiteten, dann müsste es möglich sein, etwas zu hören, indem man das Ohr daran legte. Siggi trat ganz nah an die Wand heran. Die Abendkühle, die aus dem Boden heraufstieg, schien das glatte, gläserne Material noch kälter zu machen, als es ohnehin schon war. Als Siggi seine Wange gegen die Wand presste, hatte er das Gefühl, als würde ihm das eisige Kristall alle Wärme aus dem Körper saugen.
    »Hagen? Kannst du mich hören?«
    Wie aus unendlich weiter Ferne antwortete ein leises, dünnes Stimmchen.
    »Siggi? Bist du das?«
    »Wo steckst du?«
    »Hier!« Das war die Untertreibung des Jahres und zudem keine besonders nützliche Information. Hagen schien es selbst so zu empfinden, denn er fügte hinzu: »In diesem Glaspalast.«
    »Wie kommen wir hier raus?«
    »Pass auf! Erinnerst du dich, wie wir hier reingekommen sind? Der Weg um den Hügel …«
    Siggi erinnerte sich. Der gerade Weg, der plötzlich zu einer Spirale geworden war.
    »… dreht sich nach rechts. So wie das ganze Labyrinth … Du musst dich …«
    Die Stimme wurde leiser, als ob der Sprecher sich von ihm entfernte.
    »… rechts …«
    »Was?«
    »…«
    Da war nichts mehr. Was hatte Hagen gemeint? Rechts? Sollte er sich rechts halten? Es kam auf einen Versuch an. Jedenfalls war es eine Strategie, und einen Plan zu haben war besser, als ziellos durch die Gegend zu laufen.
    Das Licht war jetzt noch schwächer geworden. Siggi konnte sich eher auf seinen Tastsinn verlassen als auf seine Augen, zumal die Wände seines Gefängnisses eine trügerische Orientierung boten. Man konnte nie genau sagen, ob eine irgendwo aufscheinende Kante tatsächlich eine Ecke des Ganges oder eine Weggabelung bezeichnete. Genauso gut konnte sie auch nur eine Spiegelung sein oder durch eine andere Wandfläche hindurchschimmern. Die Gänge wanden sich hierhin und dorthin, ohne ein erkennbares System. Irgendwo meinte Siggi einen Lichtschein zu sehen und hielt unwillkürlich darauf zu. Doch nach wenigen Schritten lief er wieder gegen eine Wand. Da es sowieso aussichtslos war, auf direktem Weg das Licht zu erreichen, hielt er sich lieber an seinen ursprünglichen Plan. Er hielt sich immer an der rechten Wand, wohin sie auch führte, und wenn es nicht mehr weiterging, folgte er ihr in die Gegenrichtung, bis sich wieder ein neuer Gang auftat.
    Inzwischen war es so dunkel geworden, dass man nur noch Schemen wahrnehmen konnte. Und die Kälte war noch schlimmer als zuvor. Sie stieg vom Boden hoch, durch die Turnschuhe, bis seine Füße zu Eisklumpen wurden, und drang selbst durch den zugeknöpften Parka bis auf die Haut. Seine Zähne klapperten hörbar in der Stille. Die Wände waren so kalt, dass sie beschlugen, wenn er ihnen zu nahe kam. Er versuchte, sie nur noch mit dem Ärmel zu berühren, aus Angst, seine Haut könnte daran festkleben, und ansonsten setzte er nur noch einen gefühllosen Fuß vor den anderen, Schritt für Schritt.
    Rechtsherum und wieder rechtsherum. Er wusste nicht, wie lange er schon so ging. Er hatte das Gefühl, als würde dieser Irrgarten niemals enden. Er hatte die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen und verließ sich nur noch auf seinen Instinkt. Rechtsherum, wie der Winkel sich dreht. Rechtsherum, wie die Sonne über den Horizont zu wandern scheint, vom Aufgang im Osten bis zu ihrem Untergang im Westen. Die rechte Hand ist die gute Hand. Zumindest für Rechtshänder … Er merkte, wie seine Gedanken sich verwirrten. Drang die Kälte jetzt schon in sein Gehirn vor? Sollte er es vielleicht doch einmal links …
    Siggi hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er hinaustaumelte in eine hallende, offene Leere.
    Er riss die Augen auf. Er befand sich in einer großen, dämmrigen Halle. Über seinem Kopf wölbte sich eine hohe

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