Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
Vom Netzwerk:
»Sohn Dôns und – wie war das – Sohn Llŷrs …?«
    »Llŷr und Dôn: Schwert und Speer, Osten und Norden, Licht und Dunkel; ist es nicht so? Du willst die dunkle Seite des Lebens sehen, die dunkle Seite der Macht. Die Seite Annwns. Ich zeig sie dir …«
    »Ich weiß genug von der dunklen Seite«, wandte Hagen ein, und einen Moment lang klang seine Stimme bitterer, als man ihm zugetraut hätte. Aber der Piskey war nicht mehr aufzuhalten. Wieder woben seine Finger ein unsichtbares Netz, wieder teilte sich der Nebel.
    Ein Hirsch. Ein mächtiger Zwölfender auf der Höhe seiner Kraft. Er war auf der Flucht. Die Hunde waren hinter ihm her; doch es waren keine gewöhnlichen Hunde. Ihr Fell war weiß, und ihre Ohren waren so rot, dass sie glühten. Der Hirsch wandte sich hierhin und dorthin, aber es gab kein Entkommen. Dann wandte er sich der Meute zu, die ihn gestellt hatte, und senkte das Geweih mit den scharfen Spitzen, um sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Der Ton eines Jagdhorns. Ein Jäger kam herbeigeritten. Er saß auf einem stolzen Rappen. Nun war er heran. Die Hunde stoben auseinander. Sie wandten sich dem Fremden zu, um ihn von der Beute fern zu halten, doch der Rappe keilte und trat nach ihnen, und der Mann verscheuchte sie mit seinem Speer. Der Hirsch stand wie gebannt; er war zu erschöpft, um noch wegzulaufen. Der Jäger hob seinen Speer und ließ ihn fliegen …
    Hagen blinzelte. Das Bild war fort. Da war nur noch die weiße Wand des Nebels, von rötlichen Schimmern durchzogen.
    Hagen packte der Zorn. Er fasste nach dem Piskey, ergriff ihn an den langen Haaren und schüttelte ihn. »Du sollst aufhören mit diesem Zauberwerk, habe ich gesagt!«
    »Lass ihn«, sagte Siggi. »Ich möchte wissen, wie die Geschichte weitergeht.«
    Der Piskey wand sich in Hagens Griff. »Nichts mehr sag ich, gar nichts mehr. Soll er doch sehen, wie er zurechtkommt, wenn die Hunde Annwns hinter ihm her sind. Oder die Geister der Toten. Oder …« Er verstummte, als er Hagens Gesicht sah. Der ließ ihn widerwillig los.
    »Erzähl weiter, bitte«, sagte Siggi.
    Der Piskey schaute Hagen an. »Nur wenn er mich auch bittet«, meinte er.
    »Den Teufel werde ich tun!«, knurrte Hagen.
    Der Piskey wandte sich ab und begann weiterzugehen. Der Blick, den Siggi Hagen schenkte, war so Mitleid erregend, dass dieser ihm unwillig auswich.
    »Erzähl«, sagte er schließlich. »Aber keine Tricks mehr, hörst du?«
    Der Piskey tat so, als habe er den Nachsatz nicht gehört. Und ob dies wirklich eine Bitte gewesen war, darüber hätte man sich sicherlich auch streiten können. Doch der grüne Gnom schien es als solche aufzufassen. Vielleicht machte er auch nur gute Miene zum Spiel oder hatte andere, undurchschaubare Gründe. Jedenfalls nahm er den Faden der Erzählung wieder auf.
    »Also«, schnaubte er, »das zeigt natürlich wieder einmal, wie dumm die Menschen sind. Seit drei Jahren hatte er vergeblich versucht, der Königin ein Kind zu machen; vielleicht hat ihn das um den Rest seines Verstandes gebracht. Dummheit war’s, dass er am Samhain-Tag jagte, wo die Grenzen zwischen den Welten dünn werden. Dass er den Hunden Annwns überhaupt nahe kam, war idiotisch. Aber dass er sie auch noch von ihrer Beute vertrieb, war Tollheit. Denn natürlich kam ihr Herr, Arawn der Jäger, herangeritten und stellte ihn zur Rede. Und da ihm Pwyll weggenommen hatte, was rechtmäßig ihm gehörte, verlangte Arawn von Pwyll eine Gunst, und Pwyll musste sie ihm gewähren. Ist das so weit klar?«
    Siggi, der die Geschichte mit Spannung verfolgt hatte, nickte, und Hagen sagte: »Also weiter!«
    »Arawn schlug ihm vor, mit ihm die Pferde und die Körper zu tauschen, für ein Jahr und einen Tag. So lange sollte Pwyll in seiner Gestalt in den Reichen Annwns für ihn herrschen, und Arawn wollte in Pwylls Gestalt nach Dyved gehen.
    Und so geschah es. Wie Menschen sind, griff Pwyll natürlich richtig durch, als er erst einmal in Annwn war, und besiegte nicht nur Arawns größten Feind im Zweikampf, sondern dehnte Arawns Reich auf alle anderen Länder von Annwn aus. Und jede Nacht, wenn er bei Arawns Frau lag, legte er sein Schwert in die Mitte des Bettes und rührte sie das ganze Jahr lang nicht an.
    Als die vereinbarte Zeit vorbei war, ritt er wieder auf Arawns Pferd zu der Stelle, wo er den Hirsch gejagt hatte, und auch Arawn war dort. Sie schworen Eide der Freundschaft und tauschten wieder ihre Körper. Pwyll ritt, nun wieder in eigener Gestalt,

Weitere Kostenlose Bücher