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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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an.
    »Ich bin Brân«, sagte das Haupt.
    Und im selben Augenblick erkannte Gunhild die beiden Gäste, den einen mit dem blonden Schopf und den Schwarzhaarigen, der daneben auf der niedrigen Bank saß. Wie hatte sie sich nur täuschen lassen können? Sie hatte keine Ahnung, wie die beiden an diesen Ort gelangt waren, aber es gab nicht den geringsten Zweifel: Der eine war ihr Bruder. Und der andere ihr lang vermisster Freund.
    »Siggi! Hagen!«
    Gunhild schlug um sich. Wind blies ihr ins Gesicht. Sie schmeckte Salz auf ihren Lippen.
    »Wo …?«
    Sie drohte zu kippen. Hände hielten sie fest. Sie schlug die Augen auf, aber im ersten Moment sah sie nichts als ein wild tanzendes Licht. Dann brachte sie das Scheppern der Töpfe und Kannen wieder in die Wirklichkeit zurück.
    »Wo sind wir? Was ist das hier?«
    Der Alte ließ sie los und lehnte sich auf dem Kutschbock zurück. Der Wagen hatte angehalten. Dennoch ließ das Klingeln und Klappern der metallenen Gerätschaften nicht nach. Es war der Wind, der darin spielte und der die Plane des Wagens zum Schlagen brachte.
    Ringsum war es stockfinster. Selbst der Mond hatte sich verzogen. Und dennoch spürte Gunhild, dass sie den Wald hinter sich gelassen hatten. Um sie herum erstreckte sich ein karges weites Land, von Felsen gekrönt. Vor ihnen fiel der Fels ab, und dahinter, in der Tiefe, rollte es in weißlich glimmenden Brechern heran, eine endlose Flut aus der Ferne der Nacht jenseits des Horizonts.
    »Das Meer.«
    Die Stimme Taliessins war tief und klangvoll wie die See. Gunhild schwindelte. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, als ginge das alles nicht mit rechten Dingen zu, als sei sie in diesen wenigen Stunden der Nacht weiter gereist, als ein Muli mit einem Wagen an Strecke zurücklegen konnte, und als müsste ihr Körper noch woanders sein, während ihr Geist ihm bereits vorausgeeilt war.
    »Ich muss hier absteigen«, sagte Taliessin ganz sachlich. »Mit dem Wagen ist der Weg zu gefährlich für das Tier. Ich werde es führen. Du bleibst am besten hier oben; das ist sicherer.«
    Schon wenig später wurde Gunhild klar, warum er das gesagt hatte.
    Der Weg, der zum Strand hinunterführte, folgte der Steilklippe und war kaum breiter, als die Karrenräder Platz brauchten. Zur einen Seite erhob sich der nasse schwarze Fels, zur anderen ging es ebenso steil hinab in eine gischterfüllte Tiefe, auf deren Grund sich in der Düsternis die schäumenden Wellen an den Felsen brachen. Der Hall war ohrenbetäubend. Ein feiner Nieselregen war aufgekommen; gepeitscht von dem Wind, der um die Klippen fegte, stachen die harten Tropfen wie winzige Eiskörner.
    Ein Ort, wo du fürs Erste sicher bist, dachte sie. So hatte der Barde gesagt. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
    Sie hatte die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, um dem peitschenden Regen zu entgehen. Von ihrem Führer sah sie nichts, nur hier und da den verschwommenen Lichtpunkt der Laterne, mit der er sich den Weg leuchtete. Das Muli ging trotz des Windes, der an ihm zerrte, und dem Schub des Karrens in seinem Rücken, mit festem, unerschütterlichen Tritt. Und langsam glaubte selbst Gunhild, dass sie vielleicht doch noch heil unten ankommen würde.
    Dann knirschten die Räder in einem nassen kiesigen Grund.
    Taliessin kam gelaufen. Er musste schreien, um sich verständlich zu machen.
    »Nimm die andere Laterne! Das letzte Stück müssen wir zu Fuß gehen! Wir nehmen mit, was wir brauchen!«
    Beladen mit Decken, umgehängten Taschen und mit Kisten unter jedem Arm stemmte sich Gunhild in den Wind. Es waren vielleicht nicht mehr als hundert Meter, die sie so zurücklegen musste, aber es erschien ihr als eine Ewigkeit. Die Flut stand hoch, und der Strand war nur ein schmaler Streifen von Kies. Bereits nach wenigen Schritten waren ihre Schuhe und Strümpfe voll gesogen mit Wasser. Das Licht in der Laterne flackerte so stark, dass es jeden Moment auszugehen drohte. Zum Glück zeigten die weißlich glimmenden Gischtstreifen im Wasser, wo Meer war und wo Land.
    Sie hatte das Gefühl, dass ihr noch nie so kalt gewesen war und so elend. Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle hingelegt und weitergeschlafen. Doch da der alte Mann, der ihr voranging, keine Müdigkeit zu kennen schien, wollte sie selbst sich keine Blöße geben und folgte ihm einen Schritt nach dem anderen.
    Dann war die Kraft des Windes mit einem Mal gebrochen, und das Licht in ihrer Hand flammte wieder auf.
    »Hier entlang«, kam die

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