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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Speer mit der Spitze hinein. Nichts, kein Sog, der ihn in eine abgrundtiefe Leere riss.
    Dann packte er den Speer fester und trat durch den Türrahmen.
    Hinter ihm schloss sich das Tor.
    Siggi ging durch eine ungewisse Helle. Es war schwer, hier Entfernungen abzuschätzen; in der Luft lag ein Dunst, der alles größer erscheinen ließ, als es war. Es erinnerte ihn an den Nebel, durch den er auf seinem Weg zum gläsernen Turm gekommen war. Ob auch hier die Geister der Vergangenheit warteten? Wie hatte der Piskey gesagt? Die Geister der Toten …
    Vorsichtshalber zog er das Schwert. Die Klinge fing das Nebellicht ein, bis sie zu glühen schien. In ihrem Schein erkannte Siggi mehr von der Umgebung. Er war auf eine hohe Brücke hinausgetreten. Tief darunter bahnte sich ein schäumender Fluss seinen Weg. Der Abgrund war so tief, dass man im Dunst kaum eine Bewegung sehen konnte, aber das Brodeln des Wassers drang deutlich herauf, vielfach verstärkt durch die steilen Felswände.
    Siggi ging weiter. Höhe hatte ihm noch nie viel ausgemacht. Dennoch, der Weg war schwierig in dem ungewissen Licht, da die Brücke aus gewachsenem Fels bestand, in Urzeiten ausgehöhlt von der Kraft des Wassers und geschliffen vom Wind, der durch diese Hallen pfiff. Zwar war von einer Höhlendecke nichts zu erkennen, trotzdem hatte Siggi das Gefühl, dass er sich in einem geschlossenen Raum befand.
    Während er mit dem Schwert in der Rechten und der ausgestreckten Linken die Balance suchte, tastete er sich Schritt für Schritt über den schmalen Grat. Die letzten Meter, als der Weg abschüssig wurde, legte er im Laufen zurück.
    Steinchen kollerten den Pfad entlang, hallende Echos weckend. Oder waren es mehr als nur Echos? Hörte er da nicht ein Stöhnen im Wind?
    Er war auf die Gestalt nicht gefasst, die aus der Tiefe des Raumes plötzlich auf ihn einstürmte. Er konnte nur noch sein Schwert hochreißen. Die blitzende Klinge durchteilte den Angreifer – oder was immer es war – wie Nebel. Doch die Gestalt formte sich sogleich wieder neu und trieb wie ein Gespenst über den Boden, bis sie von einem Felsblock aufgehalten wurde.
    »Ooooh!«, heulte der Geist.
    Fasziniert trat Siggi näher. Hier in Bodennähe schien das Wesen an Substanz gewonnen zu haben. Es verdeckte sogar das Gestein des Felsens, vor dem es kauerte. Es hatte die Gestalt eines Menschen – oder von etwas, das einmal ein Mensch gewesen war. Jetzt war es nur noch ein Bündel von Haut und Knochen, angetan mit einem zerlumpten Gewand, dessen Fetzen im Wind trieben wie Nebelschleier.
    Siggi streckte das Schwert vor. Es drang in die kauernde Gestalt ein, ohne auf Widerstand zu stoßen.
    Der Geist wand sich, als bereite ihm die Klinge körperliches Unbehagen. In dem eingefallenen Gesicht öffnete sich der Mund zu einem lang gezogenen Oval. Aus tief liegenden Augenhöhlen drang ein wässriger Blick, in dem eine brennende Verzweiflung schwamm.
    »Ooooooh!«
    »Wer bist du?«
    »Ohhh!«, seufzte der Geist. »Nimm das Schwert, mächtiger Sohn Llŷrs … nimm das Schwert und töte mich …« Siggi zog das Schwert ein Stück zurück, aber nur so weit, dass es die zusammengesunkene Gestalt noch mit der Spitze berührte.
    »Wer du bist, habe ich gefragt!«
    »Heilyn … Heilyn, Sohn Gwyns des Alten … so nannte man mich. Heilyn den Verfluchten, so wird man mich nennen …«
    Er begann wieder zu verblassen, doch Siggi nagelte ihn mit dem Schwert fest.
    »Wie kommst du hierher? Was machst du hier?«
    »… durch das Tor … bist du denn nicht durch das Tor gekommen, du mit dem Schwert … nein, Gilvaethwy war’s, der das Schwert trug, Gwydion den Speer und Govannon den Kelch mit dem Knauf, der strahlte wie Feuer …«
    »Was faselst du da?«
    »Wir alle kamen durch das Tor … das falsche, verstehst du? Es brachte uns hierher … in das Reich Arawns …«
    Siggi schauderte. Er erinnerte sich an das, was der Piskey ihm erzählt hatte, von Arawn dem Jäger und seinem Schattenreich. »Dann bin ich hier in Annwn?«
    »O nein …« Die Gesichtszüge des Geistes verschwammen, als er versuchte, den Kopf zu schütteln. »Wir sind hier im Reich derer, die eine falsche Entscheidung trafen … doch Arawn hat hier Macht …« Seine Gestalt verzerrte sich, gewann dann wieder Form. »Die Söhne Dôns, sie kauften sich frei … mit der Beute von Erin. Schwert und Speer, Kelch und Stein gaben sie Arawn, und er ließ sie gehen. Doch wir anderen, Tyllion und ich … wir hatten nichts, was so kostbar gewesen

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