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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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beladen.«
    Er hatte das Hab und Gut, das er mit sich geführt hatte, in einem kleinen behelfsmäßigen Schuppen verstaut, den er aus den abmontierten Brettern des Karrens gebaut hatte. Mit wenigen Griffen suchte er das heraus, was sie am dringendsten brauchten: etwas zu essen und zu trinken, ein paar Decken, Kleidung zum Wechseln und das Nötigste an Geschirr.
    »Es kommt mich schwer an, die ganzen Töpfe und Tiegel hier lassen zu müssen, an denen ich so lange gearbeitet habe«, sagte er. »Aber das ist jetzt Vergangenheit.«
    »Wir könnten sie in die Höhle schaffen«, schlug Hagen vor. »Da wären sie einigermaßen sicher.«
    »Nein«, sagte Aneirin, »lassen wir sie hier. Vielleicht findet sie jemand, der sie brauchen kann.«
    »Dann gibt es Menschen hier?«, meinte Gunhild verwundert.
    »Aber ja. Siehst du nicht die Lichter oben auf der Burg? Wir müssen uns eilen, bevor jemand uns findet.«
    In der Tat, oben auf dem Felsen erwachte das Leben zu einem neuen Tag. Es war eher verwunderlich, dass man sie nicht schon bemerkt hatte. Vielleicht, dachte sich Hagen, hatte der alte Mann ja noch einen weiteren Zauber gewoben, eine Täuschung der Sinne, wie man sie den Elben zuschrieb. Doch als er einen Blick zu den Felsen hinaufwarf, während er seinen Teil der Ladung über den Strand schleppte, erkannte er den wahren Grund. Dies waren nicht die Mauern, deren Ruinen er aus seiner eigenen Zeit kannte. Die waren, wie er sich erinnerte, Teil einer Burg aus dem späten Mittelalter gewesen. Was er hier sah, war die alte keltische Feste, die ein Stück weiter entfernt auf dem Plateau gelegen hatte. Er kannte sie nur in Form von angedeuteten Grundrissen im Boden; jetzt sah er sie, wie sie einst gewesen war: eine Ansammlung niedriger Gebäude mit dicken Wänden aus Bruchstein und Dächern aus Stroh, welches mit Leinen verzurrt und mit Steinen beschwert war, damit es in den Winterstürmen nicht wegflog. Von dort aus hatte man keinen direkten Blick in die Bucht.
    Dennoch hatte der Alte Recht: Sie sollten sich besser beeilen.
    Sie mussten durch das Wasser waten, um zu dem Schiff zu gelangen. Zum Glück gab es hier einen schmalen Kanal, der es ermöglichte, die Bark bis in Strandnähe zu ziehen, ohne dass das Kielschwert den Grund berührte. Zuerst warfen sie die Sachen an Bord, dann folgten sie selbst nach. Es war gar nicht so einfach, an Bord eines schwankenden Kahns zu gelangen, wenn man bis zur Hüfte im Wasser stand. Doch indem Hagen auf der einen Seite das Schiff stabilisierte, gelang es Siggi, sich auf der anderen Seite über die Bordwand zu schwingen. Sobald er einmal an Bord war, war es für die anderen ein Kinderspiel.
    Nachdem sie ihre nassen Kleider notdürftig ausgewrungen hatten, bemannten Hagen und Siggi die beiden Ruder. Aneirin übernahm das Steuer, und von kräftigen Ruderschlägen getrieben, löste sich das Schiff vom Strand und kämpfte sich durch die Wellen. Immer noch war keine Menschenseele zu sehen. Nur das Rollen der Brandung, das dumpf von der Merlinshöhle widerhallte, der Gesang des Windes und die rauen Schreie der tief fliegenden Möwen begleiteten sie, als die Prydwen aus der Bucht heraus Kurs auf das offene Meer nahm.



6.
Auf den Inseln des Westens
    »Wie lange … wird die Überfahrt dauern?«, keuchte Siggi zwischen zwei Riemenzügen. Die ungewohnte Anstrengung trieb ihm den Schweiß ins Gesicht, aber er wollte sich vor dem alten Mann keine Blöße geben. Und vor Hagen, genau genommen, auch nicht.
    »Einen Tag und eine Nacht«, sagte Aneirin. »Wie immer, wenn man zu den Inseln hinter dem Horizont gelangen will.«
    »Ich hoffe … wir müssen nicht die ganze Zeit … rudern.« Seit sie die kleine Felsenbucht verlassen hatten und auf die offene See hinausgefahren waren, waren die Brandungswellen dem Schwell der Dünung gewichen. Mit jedem Wellenberg hob sich das Schiff empor, um dann ebenso unvermeidlich ins nächste Wellental hinabzusinken. Der Himmel war ein wenig diesig, aber zum Glück regnete es nicht. Das Meer spiegelte den Himmel in tausend Facetten wieder, bleigrau in den Höhen, graugrün in den Tiefen. Der Geschmack von Salz lag, vom Wind getragen, in der Luft.
    »Wenn wir das Vorgebirge hinter uns haben«, erklärte Aneirin, »können wir hoffentlich die Segel setzen. Aber ihr könnt gleich eine Pause machen. Sobald wir außer Sichtweite des Landes sind.«
    Gunhild kam um den Mast herum nach achtern. Sie hatte sich ihrer nassen Jeans entledigt und sich eine Decke um die Hüften

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