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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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und sie wandte den Blick ab.
    »Wohin jetzt?«, fragte Hagen.
    »Wir nehmen den anderen Weg«, sagte der Alte. »Um die Nordspitze, und dann Kurs Nordost. Nach Prydain.«
    Der Wind hatte gedreht und blies jetzt aus Südwesten. Das Wasser der Bucht war grau und unruhig, mit kurzen, harten Wellen. Das Boot stampfte und schlingerte, als sie dagegen anruderten. Erst als sie den Ausgang der Bucht erreicht hatten und die Wellen höher wurden, kamen sie wieder besser voran. Sie umrundeten die Nordspitze der Insel in respektvollem Abstand zu den schroffen Felswänden mit ihren tief eingeschnittenen Schluchten und den vorgelagerten Klippen, an denen sich weiß die Wellen brachen. Erst als sie draußen auf offener See waren, setzten Hagen und Siggi die Segel.
    Obwohl die Sonne immer noch ihr Gesicht in Schleier hüllte, war zwischen den Wolkenfetzen hier und da sogar das Blau des Himmels zu sehen. Nur am westlichen Horizont ballte sich das Gewölk bleigrau. Der Wind hatte noch weiter aufgefrischt und füllte die Segel.
    »Wird es Sturm geben?«, fragte Siggi besorgt.
    Hagen warf einen prüfenden Blick auf die Wolkenfront. »Könnte sein«, meinte er. »Aber mach dir nichts draus. In Cornwall sagen die Leute, sie hätten fünf Jahreszeiten pro Tag. Schauer in der Früh, Sonnenschein am Vormittag, durchwachsenen Himmel am Mittag, und nachmittags regnet es dann endlich vernünftig.«
    »Und was ist mit der fünften Jahreszeit?«, konnte Siggi sich nicht enthalten zu fragen.
    »Die gibt es abends im Pub. Aber das gilt erst für Menschen ab achtzehn.«
    »Ha, ha«, sagte Siggi.
    Doch die Sturmfront erreichte sie nicht, wenngleich die Wolken am Horizont sich immer drohender auftürmten. Kurz vor Mittag erwischte sie ein Schauer und durchnässte sie bis auf die Haut, doch er war ebenso schnell vorbei, wie er aufgezogen war, und danach kam sogar für kurze Zeit die Sonne durch. Einmal sahen sie an Steuerbord voraus eine Schule von Tümmlern, die ihren Weg kreuzten; ihre nassen Leiber blitzten im Sonnenlicht, wenn sie über das Wasser schossen. Die Seefahrer nahmen die unerwartete Begegnung als gutes Vorzeichen.
    Vor dem achterlichen Wind machten sie gute Fahrt. Bald hatten sogar Siggi und Gunhild den Trick heraus, die Schoten dichtzuholen und im richtigen Moment wieder aufzufieren, dass das Segel nicht flatterte, wenn sie hinab in die Wellentäler glitten. Nirgendwo am Horizont war mehr Land zu sehen. Die Wellen hatten kleine weiße Schaumkronen, so weit das Auge reichte.
    »Wenn der Wind noch stärker wird, zerreißt es uns die Segel!«, schrie Hagen zu dem Alten hinüber.
    »Die Prydwen hält mehr aus als ein gewöhnliches Schiff«, rief dieser zurück. »Aber ich fürchte, wir bekommen Nebel.«
    Jetzt sah Siggi es auch. Am Horizont, wo sich scharf wie mit dem Messer geschnitten, Himmel und Erde getrennt hatten, verschwamm nun die Welt in milchigem Grau. Er blickte nach oben. Er hatte gar nicht gemerkt, wie dunkel es schon geworden war. Die Planken unter ihm ächzten bedenklich.
    »Wir reffen die Segel«, entschied Hagen. »Es wird mir zu riskant, wenn wir solche Fahrt machen und dabei so wenig Sicht haben.«
    In dem feinen, peitschenden Regen, der wie Sandkörner stach, sobald man den Kopf über das Dollbord hochstreckte, war es gar nicht so einfach, das schwere, klamme Tuch einzuholen. Doch sobald sie erst das Vor-und dann das Hauptsegel geborgen hatten, ließ der Druck auf das Schiff nach. Dann schloss sich ringsum die Welt.
    Sie trieben hinein in eine düstere, gestaltlose Leere. Der Blick reichte nur bis zum nächsten Wellenkamm und manchmal nicht einmal so weit. Der immer noch pfeifende Wind gab ihnen so etwas wie eine Richtung, doch allein mit dem Steuerruder war sie kaum zu halten. Das Boot schaukelte mit jeder Dwarssee, die es traf, und wenn es aus dem Ruder lief, legte es sich gefährlich auf die Seite.
    Siggi schluckte. Solange sie unter Segeln gefahren waren, hatte ihm das ewige Auf und Ab nichts ausgemacht; ja, er hatte es sogar genossen. Erst jetzt, da sie antriebslos dahindümpelten, verspürte er mit einem Mal ein mulmiges Gefühl im Magen. Er warf einen Blick zu seiner Schwester hinüber. Auch Gunhild war ein bisschen grün im Gesicht, wie ihm schien. Vielleicht war es aber auch nur das ungewisse Zwielicht, das sie so blass aussehen ließ.
    »Wie weit ist es noch?«
    Er zuckte die Achseln. »Was weiß ich? Frag ihn!«
    Gunhild wandte sich an den Alten. »Wie weit …?« Der Wind riss ihr die Worte von den

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