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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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flackerte so etwas wie Feuer in seinen Nüstern auf, eine letztes rotes Glimmen, das rasch wieder verlosch. »Bei … meinem … Namen.«
    »Du kannst den Speer jetzt runternehmen«, sagte Merlin zu Hagen. »Er wird uns nichts mehr tun.«
    Hagen senkte seinen Speer, wenn auch langsam. »Du bist da ganz sicher?«
    »Weil er es bei seinem Namen geschworen hat. Denn wenn er diesen Eid bricht, dann wird dies auch sein Ende sein.«
    »Das … Ende …«, seufzte der Drache. Sein langer Hals schwang nach links herum. Der rechte Vorderfuß hob sich. Siggi krabbelte aus der Reichweite der schweren, krallenbewehrten Pranke.
    Jetzt, da er aufgestanden war, konnte er erstmals die gesamte Statur dieses Wesens erkennen. Er schätzte den Drachen auf fünfundzwanzig, wenn nicht dreißig Meter Länge, vom Kopf bis zur Schweifspitze. Siggi erinnerte sich an etwas, das er einmal über die Riesendinosaurier gelesen hatte: dass sie ein zweites Hirnzentrum im Rücken gehabt hatten, weil sonst die Nervenimpulse viel zu lange gebraucht hätten, um die Schwanzspitze zu erreichen. Wenn man diese Monsterechse in den Schwanz pikste, würde man längst außer Reichweite sein, ehe sie es überhaupt bemerkte.
    Bumm!
    Der Drache hatte seine Pranke auf den Boden gesetzt. Der Fels vibrierte, aber es klang nicht mehr so bedrohlich wie zuvor, als das Untier ins Tal gekrochen gekommen war.
    »Was hat er vor?« Siggi hatte unwillkürlich sein Schwert gehoben, aber Gunhild hielt ihn zurück.
    »Ich glaube, ich weiß, was er will«, sagte sie leise. »Lass ihn!«
    Der Drache hatte sich zur Seite gewandt; mit langsamen, bedachten Tritten schleppte er sich auf den Hang zu. Es sah fast aus, als müsste er vor jedem Schritt genau überlegen, welchen Fuß er in Bewegung setzte und wie er das bewerkstelligen sollte.
    Dann hatte er das kleine ummauerte Becken erreicht. Schwerfällig schlug er einen Bogen darum, sodass sein langer, auf der Erde schleifender Schwanz sich um die steinerne Einfassung legte. Er streckte den Kopf vor und ließ ihn sinken. Der Kopf berührte die Wasseroberfläche und sank tiefer, bis nur noch die Nüstern und Augen herausragten, wie bei einem Krokodil. Die lange, gespaltene Zunge fuhr hervor, als der Drache das Maul öffnete. Dann senkte sich der Kopf noch tiefer, bis er ganz von Wasser bedeckt war. Als der Drache mit einem rasselnden Schlürfen das Wasser einsog, sah man, wie der Spiegel des Brunnens sich momentan senkte, um sofort wieder durch das nachrinnende Wasser aus der klaren Quelle von Dinas Emrys gefüllt zu werden.
    »Er hatte nur Durst«, flüsterte Gunhild.
    Der Drache war auf dem Weg zur Tränke gewesen.
    Nichts anderes hatte er beabsichtigt, als seinen Durst zu stillen, nichts Böses im Schilde geführt.
    Prustend hob sich der schwere Kopf aus dem Wasser. Wie Diamanten blitzten die Wassertropfen auf der Schuppenhaut. Für einen kurzen Augenblick sah der Drache wieder aus wie zu seiner Glanzzeit: wie das größte und mächtigste Geschöpf der Anderswelt, dem kein sterbliches Wesen gewachsen war. Dann perlten die Topfen herab, rannen von den triefenden Lefzen in das kreisrunde Becken, und der Blick der stolzen Augen wurde trüb. Wieder schwang der Kopf des Drachen herum, wieder fixierte er den Magier.
    »Du hast mir prophezeit, mein Ende würde nicht kommen, ehe der Weiße Drache wiedergeboren wird.«
    »Habe ich das?« Merlin schien verwirrt.
    »Wann wird das sein?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich werde hier warten.«
    »Aber was wird aus uns? Wohin sollen wir gehen?«
    »Zur Insel Arianrhods. Aber ihr müsst euch beeilen … Die Flut kommt.«
    »Aber wo …?«
    »Folgt nur dem Weg … Er wird euch geleiten … Und … lasst mich … schlafen …«
    Der Drache senkte das Haupt auf die mächtigen Pranken und schloss die Lider, eine Nickhaut, die sich wie ein halb transparenter Film über die Augäpfel legte, sodass er gleichzeitig zu wachen und zu träumen schien.
    Merlin stand noch da und starrte ihn an, als glaubte er nicht, was er sah – oder was er gehört hatte.
    »Kommt«, sagte Siggi schließlich. »Es bringt nichts, wenn wir noch länger hier herumstehen. Wenn die Zeit drängt, wie unser schuppiger Freund sagt, dann sollten wir uns vielleicht besser beeilen.«
    Merlin erwachte aus seiner Erstarrung. »Ja, gehen wir«, sagte auch er.
    Sie ließen den schlafenden Drachen zurück und folgten dem Weg, der ins Landesinnere führte. Schon nach der ersten Biegung begann er anzusteigen, und nach einer Viertelstunde mehr

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