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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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oder weniger steilen Aufstiegs hatten sie das Hochplateau erreicht. Grüne Hügel, von Wäldern gekrönt, erhoben sich gestaffelt zu einer Kette von Bergen im Osten, deren im Dunst verschwimmende scharfzackige Gipfel zugleich unendlich fern und zum Greifen nah zu sein schienen. Über den Bergen hing noch dunkles Gewölk, aus dem es in unregelmäßigen Abständen wetterleuchtete: der Rest des Gewitters, das der Westwind fortgeblasen hatte. Doch hoch zu ihren Köpfen wölbte sich ein strahlend blauer Himmel.
    »Ein Milan«, sagte Hagen und wies nach oben. Siggi und Gunhild folgten seinem Fingerzeig und sahen, was er meinte: die Silhouette eines kreisenden Vogels mit Gabelschwanz und spitzen Flügeln. Während sie noch in den Himmel starrten, gesellte sich ein zweiter hinzu. »Sie sind bei uns fast ausgestorben.«
    »Es ist wunderschön hier«, meinte Gunhild. »Hier könnte man wandern gehen.«
    »Kommt weiter«, sagte Siggi. »Stehen wir hier nicht rum.« Irgendwie hatten ihn die Worte des Drachen beunruhigt, als dieser zur Eile gemahnt hatte, auch wenn er nicht wusste warum. Vielleicht hatten sie ihn stärker bewegt als seine Gefährten, weil er dem Drachen so nahe gekommen waren. Vielleicht waren die Worte eines Drachen auch einfach beeindruckend, und er war besonders empfänglich dafür. Jedenfalls hatte er das Gefühl, dass die Zeit drängte.
    »Wie sollen wir überhaupt zu dieser Insel gelangen«, fragte der praktisch veranlagte Hagen, an Merlin gewandt, »wenn uns das Schiff nicht mehr zur Verfügung steht?«
    »Ich glaube, die Prydwen wird für uns nicht mehr nötig sein«, meinte der Alte geheimnisvoll. »Seht selbst!«
    Vor ihnen machte der Pfad eine Biegung und senkte sich wieder zur Küste hin. Durch ein tief eingeschnittenes Tal konnten sie einen Blick auf das Meer werfen. In ihrem Blickfeld trieb eine Insel. Das heißt, sie trieb nicht wirklich im Meer; nur die wechselnden Luftschichten in der Morgenhitze ließen sie verschwimmen. Zwischen ihr und dem Land erstreckte sich eine glitzernde Fläche, weder Erde noch Meer: ein Watt, durchzogen von silbrig glänzenden Prielen. Plötzlich wusste Siggi, was der Drache gemeint hatte.
    »Wir müssen hinüber, bevor die Flut kommt.«
    Der Abstieg ging leichter, als sie gedacht hatten. Der Weg war befestigt, mit zum Teil behauenen, verkeilten Steinen, und so breit, dass sie zu zweit nebeneinander gehen konnten. Von einer menschlichen Ansiedlung war weit und breit keine Spur zu sehen. Siggi fragte sich, wer wohl diesen Hügelpfad so ausgebaut hatte und warum, bis er selbst auf die Lösung kam:
    »Eine Heerstraße.«
    »Das hast du richtig erkannt«, sagte der Alte, der neben ihm ging. Die Müdigkeit, die ihn im Tal der Drachen überkommen hatte, schien verflogen zu sein. »Komm, ich zeige dir noch etwas. Keine Angst«, fügte er hinzu, »es wird uns nicht wesentlich aufhalten.«
    Ungefähr auf der Hälfte des Hangs machte der Weg eine Biegung. Hier, an einem kleinen Sattel, verlief der Pfad ein Stück nicht ganz so steil, beinahe eben und erlaubte den Wanderern eine kleine Verschnaufpause. Daneben weitete sich der Weg zu einem natürlichen Rund, einer kleinen Arena, eingeschnitten in den Felsen. An ihrem Rand, unmittelbar unter dem Hang, lag ein Haufen Steine. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wären sie den Abhang heruntergekollert, doch bei näherer Betrachtung sah man, dass es sich nicht um ein zufälliges Gebilde handelte. Dennoch wären sie keinem der drei aufgefallen, wenn nicht Merlin einen faustgroßen Stein vom Boden aufgenommen und ihn den anderen hinzugefügt hätte.
    Einen Augenblick verharrte er schweigend. Dann sagte er: »Hier zog Pryderi, Fürst von Dyved, mit seinem Heer gegen die Macht von Gwynedd. Hier fiel er im Zweikampf, und hier liegt er begraben. Ehren wir sein Andenken!«
    Ein Haufen Steine, nicht mehr und nicht weniger, und dennoch erschien es Siggi, als sähe er die Dinge plötzlich in einem ganz anderen Licht. Denn mit einem Mal war das, was er nur aus den Erzählungen des Alten kannte und den Märchen der Elbenkönigin, die bereits jetzt in seinen Erinnerungen etwas Unwirkliches besaßen, real geworden, greifbar: ein Haufen Steine.
    Er nahm einen Stein vom Boden auf und legte ihn zu den anderen, und mit dieser Geste fühlte er sich selbst mit dem unglücklichen Pryderi verbunden. Die anderen folgten seinem Beispiel.
    Der Alte hatte sich schon wieder abgewandt und war weitergegangen. Mit ein paar schnellen Schritten schloss Siggi zu

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