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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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zu erzählen, brauche ich Arianrhod; denn ich weiß nicht, wie sie ausgeht.« Und damit stapfte er weiter, um jeder Frage, die da noch hätte kommen können, aus dem Weg zu gehen.
    Gunhild zupfte Hagen am Ärmel.
    »Sie hat noch einen anderen Namen genannt«, flüsterte sie, »erinnerst du dich?« Und als er sie im Halbdunkel verwundert ansah, sagte sie: »Lancelot.«
    Er pfiff leise durch die Zähne. »Lancelot du lac«, meinte er mit unterdrückter Stimme, doch wenn der Alte etwas gehört hatte, so gab es kein Anzeichen dafür. »So heißt er in den mittelalterlichen Quellen. Keiner weiß so recht, woher er kam. Er war der Freund Arthurs, sein erster Ritter und …«
    »… und der Geliebte Guineveres, seiner Königin.«
    Sie brauchte nicht darauf hinzuweisen, dass die Herrin der Insel sie selbst bei diesem Namen genannt hatte. Hagen wusste es auch so.
    »Komm, meine Königin«, sagte er leichthin. »Wollen wir der Sache auf den Grund gehen.«
    Siggi, der ihren Wortwechsel mitbekommen, aber nichts davon verstanden hatte, schloss zu ihnen auf. »Was ist?«, fragte er. »Worum geht es?«
    Hagen grinste. »Das geht meinen Freund Arthur nichts an.«
    »Genau«, meinte Gunhild. »Das ist eine Sache zwischen Lancelot und mir.«
    »Ihr spinnt wohl ein bisschen«, knurrte Siggi. »Seid ihr wieder frisch verliebt oder was?«
    »Komm«, sagte Hagen, »wir dürfen den Anschluss nicht verlieren.«
    Merlin war schon ein Stück vorausgegangen; seine dunkle Gestalt war in der dämmrigen Halle, in der sie sich befanden, nur als ein Schatten wahrzunehmen. Er wandte sich nach rechts. Dort führte ein Durchgang von der Halle nach Osten; so viel ließ sich zumindest vermuten, wenn man dem Augenschein trauen konnte. Die Sonne musste inzwischen ihren höchsten Punkt erreicht, wenn nicht schon überschritten haben, doch bis hier in die Gewölbe der Burg drang ihre Kraft nicht vor. Nur das unterschiedlich intensive Licht hinter den hohen Fenstern ließ die Himmelsrichtungen erahnen.
    Doch dorthin, wo der Alte jetzt verschwand, drang kaum noch ein Licht. Eine enge Stiege wand sich einen Turm hinauf, der Mauerkrümmung folgend. Die Stufen waren ausgetreten. Zur Linken, entlang der inneren Mauer, gab es einen steinernen Handlauf, an dem man sich entlangtasten konnte. Und das war streckenweise auch nötig. Es gab nur vereinzelt Fenster, in tiefe Nischen eingebettet, die den Ablauf der Treppe unterbrachen. Die schräg geschnittenen Öffnungen ließen an ihrem Ende nur schmale Schlitze frei, in denen sich ein Stück grauen Himmels erkennen ließ. Draußen schien sich wieder ein Unwetter zusammenzubrauen. Innerhalb der dicken Mauern freilich merkte man nichts davon, nicht einmal den Wind, der um den Turm wehte. Nur das Rauschen des Meeres war überall; es dröhnte in den Mauern, ließ den Boden vibrieren, bis man glaubte, es selbst mit jedem pochenden Herzschlag im Blut zu spüren …
    Ihre Augen hatten sich so an die Dunkelheit gewöhnt, dass alle geblendet ins Licht starrten, als schließlich eine Tür aufgestoßen wurde und sich der Blick auf einen hohen Söller öffnete.
    Das Erste, was sie sahen, waren die hohen, bunt verglasten Fenster. Vier waren es an der Zahl, je eines in jede Himmelsrichtung. Das Fenster, das nach Osten ging, brannte wie Feuer; ein Schwert war darin zu erkennen. Das Fenster nach Norden war von einem tiefen, fast violetten Blau, das nach oben hin lichter wurde, dort, wo sich die Spitze eines Speeres in den luftigen Himmel reckte. Im Westen, im graugrünen Glas, befand sich ein schimmernder Kelch auf einem Felsen, der sich aus gischtgekrönten Wellen erhob. Im Süden jedoch, wo die Sonne stand, flirrte das Licht in gebrochenem Kristall und warf seine bunten Muster auf den Boden.
    Der Boden des Raumes war aus Holz, Planken wie die eines Schiffes, durch geduldige Pflege und die Würde des Alters zu einer honigfarbenen Glätte poliert. Silber war darin eingelegt: Spiralen, die aus drei verschiedenen Richtungen zum Zentrum führten. Dort, wo das Licht auf das Silber traf, gleißte es so hell, dass der Anblick die Augen tränen ließ. Und im Zentrum des Gleißens, verschwimmend im tränenden Blick, saß sie.
    Ihr Haar war schwarz wie die Nacht, schwarz wie das Ebenholz, von dem das Märchen erzählt. Ihr Gewand war weiß wie Schnee. Rot wie Blut allein war ihr Mund. Sie saß an einem Spinnrad, das mit solch einer schnellen Bewegung wirbelte, dass das Auge kaum hinsehen konnte. Doch was sie dort spann, war kein Flachs; es war

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