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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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das Licht selbst, das sie auf ihrer Spindel einfing und das sich drehte und drehte zu gesponnenem Gold.
    Das silberne Rad Arianrhods wirbelte schneller und schneller, so rasch, wie die Welt sich dreht. Und wie die Welt sich stets verwandelt und doch in sich ruht, so stand es am Ende still.
    Hagen blinzelte. Der Bann, der ihn gefangen gehalten hatte, schien von ihm abzufallen, und er stellte fest, dass er sich wieder rühren konnte. Mit ungelenken Schritten trat er vor. Da er nicht wusste, was er sagen sollte, beugte er einfach das Knie. Angesichts dieser Frau, die gewiss eine Göttin war, erschien ihm das als das einzig Angemessene. Den Speer, den er in der Hand hielt, stützte er auf den Boden. Die Spitze des Speeres funkelte im Licht.
    Arianrhods Blick ging von dem Speer in Hagens Hand hinüber zu dem bleiverglasten Fenster, das nach Norden zeigte, und wieder zurück. Erkennen dämmerte in ihren Augen auf und Staunen, das sich vertiefte, als Siggi an Hagens Seite trat. Das Schwert an seinem Gürtel blitzte. Ein Leuchten schien von ihm auszugehen und umfasste seine ganze Gestalt. Sein blonder Schopf strahlte wie gesponnenes Gold.
    Doch der hellste Schein im Raum lag in dem Stein, der auf Gunhilds Brust erstrahlte. In allen Farben des Regenbogens funkelte er auf, bis sein Licht selbst das der hohen Fenster mit ihren bunten Scheiben überstrahlte. Das Licht fing sich in dem schimmernden Kreis des Spinnrads, bis beide eins zu sein schienen: der Stein und das silberne Rad Arianrhods.
    »Die Legende erfüllt sich«, sagte eine tiefe Stimme. Es war Merlin, der sich im Hintergrund gehalten hatte. Nun trat er vor. Die Müdigkeit, die ihn gezeichnet hatte, war wie weggeblasen; kraftvoll waren seine Bewegungen, sein Schritt wie der eines jungen Mannes.
    »Gwydion!« Sie war aufgestanden. Jetzt kam sie auf ihn zu. Mit der winzigsten Andeutung eines Zögerns, als glaubte sie nicht, was sie sah, oder als hielte sie ihn für etwas Unstoffliches, das unter ihrer Berührung vergehen würde, fasste sie ihn an den Schultern. »Du bist es wirklich. Du lebst!«
    So wie sie beieinander standen, sah man die Ähnlichkeit in ihren Zügen, den Glanz ihrer beider Augen, der ihr Geburtsrecht war: Bruder und Schwester, Kinder der Großen Göttin, Meister des Schicksals und zugleich dessen Diener.
    Merlin lachte. »Nie wäre ich zu dir gelangt, wenn sie mir nicht geholfen hätten.« Damit wies er auf Gunhild, Siggi und Hagen.
    Sie wandte ihren Blick den dreien zu. »Dann muss ich euch danken«, sagte sie mit silberheller Stimme, »dass ihr mir meinen Bruder zurückgebracht habt, meinen Geliebten, meinen Freund. Dies alles ist er für mich und mehr … Aber sagt mir eure Namen, damit ich weiß, wer ihr seid.«
    Gunhild sah sie nur an, als hätte sie ein Zauber befallen und als wäre sie eins geworden mit der Gestalt vor ihr und dem schimmernden Rad, das sich, obwohl es stillstand, immer noch zu drehen schien. Siggi stand da und starrte, als glaubte er nicht, dass dies alles Wirklichkeit war und dass sie tatsächlich in der Gegenwart von Wesen standen, die vielleicht keine Götter waren, aber doch mehr als bloße Sterbliche. Er hielt die Hand immer noch am Schwert, doch es hätte einer Willensanstrengung bedurft, es zu ziehen, zu der er im Augenblick kaum fähig gewesen wäre.
    Am wenigsten unter dem seltsamen Bann stand Hagen. Von dem grünen Holz des Speers in seiner Hand ging etwas aus, das seinen Geist freimachte. Er war es denn auch, der zu einer Antwort ansetzte, als Merlin ihm zuvorkam.
    »Ihre Namen sind ohne Bedeutung«, sagte er. »Wichtig allein ist die Rolle, die sie zu spielen haben. Nenne sie, wie du willst. Nenne sie Guinevere, Arthur und Lancelot.«
    Sie sah ihn an. »Dann suchst du immer noch den Gral?«
    Er erwiderte den Blick. »Was gibt es sonst, das sich zu suchen lohnt?«
    »Und was wird am Ende aus ihnen?«
    Er zuckte die Schultern.
    Etwas an dieser Geste weckte Hagens Widerspruchsgeist. Wenn es nicht schon die Worte waren, die diese Halbgötter – oder was immer sie waren – miteinander wechselten, als wären seine Freunde und er überhaupt nicht da, so war es dieses achtlose Achselzucken, das einen Funken tief in ihm aufglimmen ließ. Das Holz des Speeres war warm in seiner Hand, doch es war nicht die Wärme des Speeres, es war die Glut in ihm selbst, die ihn zu einer Antwort anstachelte. In seinen Gedanken verglich er diese wunderschöne, alterlose Frau mit dem unheimlichen, unberechenbaren Meerriesen, dessen Gewalt

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