Die Kinder von Avalon (German Edition)
in einer nächtlichen Schmiede stand. Das Feuer der Esse spiegelte sich in seinen mandelförmigen Augen wider, doch die Glut, die darin glomm, kam von innen heraus, aus dem Geist …
»Ich habe ihn gesehen!«, rief er aus, und als alle ihn anstarrten, fügte er rasch hinzu: »In einem Traum. In einer Vision, genauer gesagt. Es war ganz am Anfang unseres Abenteuers, und damals wusste ich noch nicht, was sie bedeutet. Ich glaubte, es sei eine Szene, die ich schon einmal erlebt hatte, aber das war es nicht. Es war eine Schmiede im Wald, und ich war nicht dabei, ich war nur Zeuge. Er schmiedete einen Speer.«
Merlin verstand noch immer nicht, aber Siggi ahnte, was er sagen wollte. »Du meinst … diesen Speer?«
»Was brachte Odin vom Baum herab, nach neun langen Nächten?« Gunhild hatte die Frage gestellt, aber die Antwort war klar. »Und was brachte Llew?«
»Den Speer des Schicksals.«
»Den Speer des Lichts.«
»Aber«, meinte Siggi, »wenn dies der Speer war, mit dem der Mörder ihn traf …«
»… dann war Blodeiwedds Liebhaber nicht irgendein Mensch aus Prydain …«, fuhr Gunhild fort.
»… sondern der«, folgerte Hagen, »in dessen Besitz die Waffe war, nämlich …«
»… Arawn, Herr von Annwn!«
Merlin hatte es ausgesprochen. Die Worte hingen im Raum wie eine dunkle Wolke, ein Schatten, der sich über alles legte.
»Er zürnte dir immer noch«, sagte Gunhild leise, »weil du Pryderi getötet hattest, seinen Sohn. Der Fluch dieser Tat wirkte immer noch nach; denn sie ist nie gesühnt worden. War es nicht so?«
Merlin nickte nachdenklich. »Aber der Speer … Nur durch seinen eigenen Speer, so hieß es, könnte Llew getötet werden.«
»Genau!« Hagen war aufgesprungen. Den Speer in der Hand, gestikulierte er. »Der Speer ist keine gewöhnliche Waffe. Man könnte sagen, es ist sein Speer; er wurde es zu dem Zeitpunkt, als er am Baum starb …«
»Aber er war es noch nicht, als Arawn ihn tötete«, gab Siggi zu bedenken.
»Ein Paradoxon. Zwei Tatsachen, die sich gegenseitig voraussetzen und die doch nicht beide gleichzeitig wahr sein können. Und darum ist er nicht gestorben. Darum hing er zwischen Tod und Leben, bis er ins Leben zurückgerufen wurde durch das Lied.«
»Dann ist das die Lösung des Rätsels«, sagte Merlin.
Stille senkte sich über den Raum. Nur das Sirren des Rades war zu hören, und wie aus weiter Ferne vernahm man jetzt auch das Donnern der Brandung, die gegen die Fundamente des Turmes schlug.
Siggi stand ebenfalls auf und reckte sich. »Aber das bringt uns nicht weiter«, sagte er, während er mit dem rechten Arm Bewegungen machte, als wollte er mit seinem Schwert auf etwas einschlagen.
»Wie meinst du das?«, fragte Merlin.
Doch es war Gunhild, die antwortete. Sie saß immer noch auf dem Boden. Sie hatte den Blick auf das silberne Rad Arianrhods geheftet, und der Kristall auf ihrer Brust schien im Rhythmus der Drehung zu pulsieren.
»Wir sind hierher gekommen«, sagte sie sanft, »um ein Heilmittel für den schlafenden König zu finden. Während wir hier alten Rätseln und alten Feindschaften nachspüren, verfällt er immer mehr. Was also ist mit Arthur?«
»Arthur, Guinevere, Lancelot …« Merlin ging im Raum auf und ab. »Die hatte ich völlig vergessen. Wie passt das alles zusammen?«
»Es gibt nur einen, der darauf Antwort geben kann«, meldete sich Arianrhod zu Wort.
Merlin sah zu ihr hinab. »Und wer wäre das?«
»Mâth mab Mathonwy. Mâth der Alte. Mâth der Allwissende.«
»Aber … ich denke, Mâth hat sich zurückgezogen von der Welt, an einen Ort, den außer ihm keiner kennt?«
»Das ist wahr. Aber es heißt nicht, dass dieser Ort nicht zu erreichen sei, wenn man weiß wie.«
Hoffnung glomm in Merlins Augen auf. »Sag mir, wie.«
Eine Falte erschien auf ihrer Stirn. »Ich weiß nicht, was damals in Caer Siddi geschah, ebenso wenig wie du. Aber ich weiß, dass der Weg durch das silberne Rad führt – und dass der Stein der Schlüssel dazu ist.«
Aller Augen wandten sich Gunhild zu. Die saß noch immer auf dem Boden; sie wirkte nun nicht mehr abwesend, sondern hellwach. Ihr Blick war auf das Rad Arianrhods gerichtet, das in einem silbernen Licht schimmerte. Der Stein auf ihrer Brust pulsierte im Einklang mit diesem Licht; der Stein war das Licht: ein geflochtenes Band aus Silber, ohne Anfang und Ende.
»Ich glaube, ich weiß, wie es geht«, sagte sie, in einem ganz sachlichen Ton. »Schaut mal, es ist ganz einfach!«
Sie hob die Hand. Ihr
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