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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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diesem Schwert«, fügte Siggi hinzu.
    »Mut habt ihr«, sagte Mâth, »aber darauf kommt es hier nicht an.« Er wandte sich wieder Gunhild zu. »Kind«, fuhr er fort, »Arianrhod war schuldig, weil sie im Geiste nicht mehr unschuldig war. Wenn du ohne Schuld bist, dann wird dir nichts geschehen.«
    Gunhild reckte trotzig den Kopf. »Ich hab nichts Falsches getan«, sagte sie voll Überzeugung.
    »Dann komm. Beweise es mir.«
    Gunhild löste sich von Hagen. Mit zögerndem, aber festem Schritt trat sie auf den thronenden Gott zu. Und während er vorhin, als sie sich ihm genähert hatten, immer größer und mächtiger aufgeragt war, schien er nun mit jedem Schritt kleiner zu werden, bis er nur wenig größer war als ein gewöhnlicher Mensch.
    Gunhild kniete sich vor ihm nieder. Seine bloßen Füße, die fest auf der Erde standen, waren braun wie altes Leder. Sie sah auf. Ein feines Lächeln lag auf den verwitterten Zügen des Gottes. Sie nahm seinen Fuß; er war kalt und schwer. Sie hatte das Gefühl, als müsste sie einen Felsen heben, einen ganzen Berg. Nur einen Fingerbreit stemmte sie den Fuß des Gottes in die Höhe, doch es genügte.
    Der erste Fuß, dann der zweite. Sie ruhten in ihrem Schoß. Die Last war schwer, doch sie war zu ertragen. Hagen und Siggi standen gespannt, Speer und Schwert erhoben, bereit, sofort einzugreifen, wenn irgendetwas Unerwartetes, Schreckliches geschehen sollte. Doch es würde nichts geschehen. Das wusste sie; so sicher wusste sie es, wie sie sich in der Gegenwart des Gottes fühlte.
    Mâth mab Mathonwy begann zu erzählen:
    »Die größte Sünde in der Welt ist die des Vergessens. Dies war die Sünde dessen, den sie den größten Zauberer seiner Zeit nannten und der glaubte, selbst über dem Schicksal zu stehen. In seinem Bemühen, dem Sohn, den er nie gehabt hatte, das Leben zurückzugeben, hatte er jenes andere Kind vergessen, dessen Geburt er herbeiführte, damit es seinen Plänen dienen sollte. So brach er, sobald es ihm möglich war, auf nach Süden, an den Hof des jungen Königs, den man Arthur Pendragon nannte …«
    Die Worte flossen durch Gunhild hindurch wie Wasser, und aus den Worten stiegen Bilder auf: von Reitern, die durch die Nacht glitten; von wehenden Bannern und hohen Zinnen; von Rittern in schimmernder Rüstung und Frauen in Samt und Seide. Fanfarenklänge drangen an ihr Ohr, das Klirren von Stahl, das Raunen der Menge und ihr jubelnder Aufschrei. Und sie begriff, dass die eigentliche Geschichte hier begann, dass alles bislang nur ein Vorspiel gewesen war für das große Drama, das sich vor ihren Augen entfaltete, als Legende wahr und als Geschichte zur Legende wurde …
    »Jahre vergingen. Und eines Tages beschloss ein junger Held, von seinen schweren Wunden genesen, der Spur jenes Mannes nachzufolgen, der ihm einst das Leben gerettet hatte …«
    Gunhild sah:
    Er kam aus den Nebeln geritten, von der Küste her, dort, wo die Luft wie eine Insel aus Glas über dem Meer stand. Es war Sommer, und es war noch früh am Tag. Sie war hinausgegangen, weil sie die Enge der Burg nicht mehr ertragen konnte. Hier draußen in den Gärten konnte sie freier atmen, und der Morgen, wenn sich die Hecken und Sträucher aus dem Nebel schälten, war ihre liebste Tageszeit. Dann war es fast so wie früher im Süden, jenseits des Ozeans, wo sie aufgewachsen war. Und so kam es, dass sie die Erste war, die ihn erblickte.
    Er trug nur einen einfachen Kittel aus ungebleichtem Leinen, der von einem schmucklosen Gürtel zusammengehalten wurde. Das Pferd, das er ritt, war ein struppiges Bergpony, nicht zu vergleichen mit den stolzen Streitrössern von Arthurs Rittern. Er hielt einen Speer in der Hand, von altertümlicher Art, mit einer langen, breiten Klinge, die mit seltsamen Verzierungen besetzt und mit drei Nägeln an einem Schaft aus grünem Holz befestigt war. Er trug keinen Helm; sein langes schwarzes Haar wehte im Wind. Und seine Haut war weiß, viel heller, als man es bei einem Bauernjungen aus den Bergen erwartet hätte.
    »He!«, rief sie, aus einer plötzlichen Laune heraus.
    »Wohin des Wegs?« Sie wusste selbst nicht, woher sie so plötzlich den Mut nahm, einen wildfremden Mann anzusprechen, aber er wirkte so jung, so unschuldig, dass sie keine Furcht hatte.
    Er sah sie, und seine Augen öffneten sich. Er trieb das Pony näher heran; es schnaubte. Dampf stand vor seinen Nüstern in der Morgenkühle.
    »Nach Camelot!«, rief er. »An König Arthurs Hof! Ist es noch weit?«
    Sie

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