Die Kinder Von Eden : Roman
solchen Namen könnte er auch ein Weißer mit kräftiger Sonnenbräune sein. Außerdem, und jetzt‘ kommt‘s: Der Kerl hat ein Strafregister.«
»Du bist ein Genie, Bo!« ;
»Du müßtest jeden Moment eine Fax-Kopie der Akte bekommen. Granger war Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre eine ziemlich große Nummer in der Unterwelt von Los Angeles. Vorstrafen wegen Körperverletzung, Einbruch und Autodiebstahl in großem Stil. Wurde des Drogenhandels und dreier Morde verdächtigt, aber 1972 verschwand er von der Bildfläche. Die Polizei von Los Angeles vermutete, daß Granger von der Mafia beseitigt wurde – er schuldete der Ehrenwerten Gesellschaft Geld -, doch man hat nie eine Leiche gefunden, deshalb wurde die Akte auch nicht geschlossen.«
»Hab‘ schon verstanden. Granger ist vor der Mafia geflüchtet, wurde ein frommer Mann und hat eine Sekte gegründet.«
»Leider wissen wir nicht wo.«
»Nur daß es nicht im Silver River Valley ist.«
»Die Polizei in Los Angeles könnte die letzte bekannte Anschrift Grangers ermitteln. Das ist wahrscheinlich Zeitverschwendung, aber ich werde sie trotzdem darum bitten. Ein Bursche aus der Mordkommission ist mir noch einen Gefallen schuldig.«
»Haben wir ein Foto von Granger?«
»In der Akte ist eins, aber darauf ist er neunzehn Jahre alt. Jetzt geht er auf die Fünfzig zu und sieht wahrscheinlich vollkommen anders aus. Zum Glück hat der Sheriff von Shiloh ein E-fit-Bild anfertigen lassen.« E-fit war ein Computerprogramm, das die handgezeichneten Phantombilder der Polizei verdrängt hatte.
»Er hat versprochen, mir das Bild zu faxen, aber bis jetzt ist es noch nicht angekommen.«
»Fax es an mich weiter, sobald du es bekommen hast, ja?«
»Klar. Was hast du jetzt vor?«
»Ich fahre nach Sacramento.«
Es war viertel nach vier, als Judy durch die Tür trat, über der in großen Lettern GOVERNOR eingraviert war.
Die Sekretärin, die Judy schon einmal gesehen hatte, saß an dem großen Schreibtisch. Sie erkannte Judy wieder und zeigte sich erstaunt. »Sie gehören zu den FBI-Leuten, nicht wahr? Die Besprechung mit Mr. Honeymoon hat vor zehn Minuten begonnen.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Judy. »Ich komme mit einer wichtigen Information, die wir erst im letzten Moment erhalten haben. Aber bevor ich in die Besprechung gehe, hätte ich eine Frage: Ist hier in den letzten Minuten ein Fax für mich eingegangen?« Judy hatte ihr Büro verlassen, bevor das Fax mit dem E-fit Ricky Grangers gekommen war; deshalb hatte sie Bo übers Autotelefon angerufen und ihn gebeten, das Computer-Phantombild zum Büro des Gouverneurs zu faxen.
»Ich werde mal nachsehen.« Die Sekretärin sprach ins Telefon. »Ja, Ihr Fax ist da.«
Einen Augenblick später erschien eine junge Frau mit einem Blatt Papier aus einer Seitentür.
Judy starrte auf das Gesicht, das ihr vom Fax entgegenblickte. Das also war der Kerl, der möglicherweise im Begriff stand, Tausende von Menschen zu töten. Ihr Feind.
Sie sah einen gutaussehenden Mann, der sich ziemliche Mühe gegeben hatte, seine wirklichen Gesichtszüge zu verbergen, so als hätte er damit gerechnet, daß auf der Grundlage seines Fotos ein E-fit erstellt wurde. Er trug einen Cowboyhut, was darauf hindeutete, daß die Zeugen, die dem Sheriff beim Entwurf des Computebildes geholfen hatten, den Verdächtigen niemals ohne Hut gesehen hatten. Folglich gab es keinen Hinweis darauf, wie die Frisur Mannes aussah. Ob er nun glatzköpfig war oder grauhaarig, ob er lange Locken oder einen Kurzhaarschnitt trug – er würde anders aussehen als auf diesem Bild. Und die untere Hälfte seines Gesichts war durch einen buschigen Bart und einen Schnäuzer nicht minder gut verborgen: Die Form von Kinn und Kiefer war unmöglich zu erkennen. Inzwischen, vermutete Judy, war der Bart abrasiert.
Der Mann hatte tiefliegende Augen, die wie hypnotisierend aus dem Bild starrten. In der Vorstellung der Öffentlichkeit allerdings besaßen alle Verbrecher einen stechenden Blick.
Dennoch verriet das Bild Judy einiges. Ricky Granger war kein Brillenträger, offensichtlich weder Afroamerikaner noch Asiate, und da sein Bart dunkel und üppig war, hatte er vermutlich dunkles Haar. Der angehefteten Beschreibung entnahm Judy, daß er etwa eins fünfundachtzig maß, schlank und sportlich war sowie keinen auffälligen Akzent sprach. Das war nicht viel, aber besser als gar nichts.
Und es waren Informationen, die Marvin und Brian nicht hatten.
Honeymoons
Weitere Kostenlose Bücher