Die Kinder Von Eden : Roman
bis heute. Wenn er mich nicht mehr besuchen kann, ohne einen Allergieschub zu bekommen, weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich kann nicht einfach nach Oregon oder sonstwohin ziehen. Dort gibt‘s nicht genug Erdbeben.«
Er sah dermaßen bekümmert aus, daß Judy über den Tisch faßte und Michaels Hand drückte. »Ihnen wird schon etwas einfallen. Sie lieben den Jungen, das ist nicht zu übersehen.«
Er lächelte. »Ja. Ich liebe ihn sehr.«
Sie tranken ihren Kaffee, und Michael zahlte. Dann schlenderten beide zu Judys Wagen. »Der Abend ist sehr schnell vergangen«, sagte Michael.
Ich glaube, der Bursche mag mich. Gut.
»Hätten Sie Lust, mit mir mal ins Kino zu gehen?«
Das alte Spiel. Wie kriege ich sie zum Rendezvous? Es ändert sich nie.
»Ja, gern.«
»Wie wäre es an einem Abend dieser Woche?«
»Einverstanden.«
»Ich rufe Sie an.«
»In Ordnung.«
»Darf ich Ihnen … dir … einen Gutenachtkuß geben?«
»Ja.«
Sie grinste. »Ja, bitte.«
Michael neigte sein Gesicht dem ihren zu. Der Kuß war zärtlich, ja zögernd. Seine Lippen bewegten sich sanft auf den ihren, doch er öffnete dabei nicht den Mund. Judy erwiderte den Kuß ebenso. Ihre Brüste schmerzten wohlig, und unwillkürlich preßte sie ihren Körper gegen den seinen. Michael drückte sie kurz an sich; dann löste er sich von ihr. »Gute Nacht«, sagte er. Er beobachtete, wie Judy in den Wagen stieg und winkte, als sie losfuhr.Sie bog um eine Ecke und hielt vor einer Ampel.
»Oh, Mann«, sagte sie.
Am Montagmorgen wurde Judy einem Team zugeteilt, das Nachforschungen über eine militante Moslemgruppe an der Stanford University anstellte. Ihre erste Aufgabe bestand darin, computerisierte Akten nach Waffenscheinen zu durchkämmen und nach arabischen Namen zu suchen, die dann genauer überprüft wurden. Es fiel Judy schwer, sich auf eine vergleichsweise harmlose Gruppe religiöser Fanatiker zu konzentrieren, denn sie konnte sich nicht von dem Gedanken freimachen, daß die Kinder von Eden ein nächstes Erdbeben planten.
Um fünf nach neun rief Michael an. »Wie geht es dir, Agentin Judy?« fragte er.
Schon beim Klang seiner Stimme fühlte sie sich glücklich. »Mir geht‘s gut, ganz prima.«
»Unsere Verabredung hat mir gefallen.«
»Mir auch.« Judy dachte an den Kuß, und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.
Ich hole mir noch mehr davon. Irgendwann.
»Hast du heute abend frei?« »Ich nehme es an.«
Das hört sich zu kühl an. Sei netter zu ihm.
»Ich wollte sagen, ja – es sei denn, es ergibt sich irgend etwas Neues im Fall ›Kinder von Eden‹.« »Kennst du das Morton?«
»Ja, sicher.«
»Treffen wir uns um sechs an der Bar. Dann können wir uns gemeinsam einen Film aussuchen.«
»Okay, Michael. Ich freue mich. Bis nachher.«
Aber das blieb an diesem Morgen der einzige Lichtblick für Judy. Gegen Mittag konnte sie sich nicht mehr beherrschen und rief Bo an, doch er hatte immer noch nichts Neues. Judy telefonierte mit den Herstellern von seismischen Vibratoren; die Liste sei bald fertig, wurde ihr gesagt, und würde ihr am Ende des Arbeitstages per Fax zugeschickt.
Damit sind weitere vierundzwanzig Stunden verloren! Jetzt haben wir nur noch vier Tage, um diese Verrückten zu schnappen.
Judy war dermaßen nervös, daß es ihr den Appetit verschlug. Sie ging zu Simon Sparrows Büro. Er trug einen schickes Hemd im englischen Stil: blau mit rosa Streifen. Simon hielt sich nicht an die ungeschriebene Kleiderordnung des FBI und kam damit durch -wahrscheinlich, weil er ein solches As in seinem Job war.
Er telefonierte und beobachtete gleichzeitig den Monitor eines Stimmenanalysators. »Die Frage mag sich seltsam anhören, Mrs. Gorki, aber würden Sie mir sagen, was Sie aus Ihrem vorderen Fenster sehen können?«
Während Simon der Antwort lauschte, beobachtete er das Stimmspektrum von Mrs. Gorki und verglich es mit einem Computerausdruck, den er mit Klebestreifen an der Seite des Monitors befestigt hatte. Nach wenigen Augenblicken strich er einen Namen auf einer Liste durch. »Danke für Ihre Mithilfe, Mrs. Gorki. Ich werde Sie nicht mehr belästigen. Auf Wiederhören.«
»Die Frage mag sich seltsam anhören, Simon«, sagte Judy, »aber warum müssen Sie wissen, was Mrs. Gorki sieht, wenn sie aus dem Fenster guckt?«
»Muß ich gar nicht wissen«, sagte Simon. »Aber auf diese Frage bekommt man für gewöhnlich eine Antwort, die in etwa die richtige Länge hat, die ich für eine Stimmenanalyse
Weitere Kostenlose Bücher