Die Kinder Von Eden : Roman
Artikel steht.«
»Daß die Polizei nach einem gestohlenen seismischen Vibrator sucht.«
»Das darf doch nicht wahr sein!«
»Es steht nichts über Erdbeben in dem Bericht«, fuhr Melanie fort. »Es ist bloß … na ja, eine verrückte Geschichte. Wer kommt schon auf die Idee und klaut so ein Ding?«
»Die Story kauf ich denen nicht ab«, sagte Priest. »Das kann kein Zufall sein. In dem Artikel geht es um uns, auch wenn sie uns nicht erwähnen. Die Cops wissen, wie wir das Erdbeben ausgelöst haben, aber sie haben‘s der Presse noch nicht mitgeteilt. Weil sie Schiß haben, daß ‚ne Panik ausbrechen könnte.«
»Wieso haben sie dann dieses Foto freigegeben?«
»Um uns die Sache zu erschweren. Das Foto macht es uns unmöglich, den Laster auf offener Straße zu fahren. Jeder Highway-Cop in ganz Kalifornien wird jetzt nach dem Ding Ausschau halten.«
Verzweifelt schlug er mit der Faust auf den Tisch »Verdammt, so einfach darf ich mich von denen nicht aufhalten lassen!«
»Könnten wir nicht nachts fahren?«
Daran hatte Priest auch schon gedacht. Er schüttelte den Kopf. »Ist immer noch zu riskant. Auch nachts sind Cops auf den Straßen.«
»Ich muß jetzt nach Dusty sehen«, sagte Melanie. Sie war den Tränen nahe. »Oh, Priest, er ist so krank – wir müssen doch nicht etwa das Tal verlassen? Ich habe solche Angst. Nie mehr werde ich einen Ort finden, an dem ich glücklich sein kann. Das weiß ich.«
Priest umarmte sie, um ihr Mut zu machen. »Noch bin ich nicht geschlagen. Noch lange nicht. Was steht sonst noch in dem Artikel?«
Melanie nahm die Zeitung auf. »Vor dem Federal Building in San Francisco hat es eine Demonstration gegeben.« Sie lächelte trotz ihrer Tränen. »Eine Gruppe von Leuten, die der Meinung sind, daß die Kinder von Eden recht haben. Das FBI soll uns in Ruhe lassen, verlangen sie, und daß Gouverneur Robson den Bau neuer Kraftwerke einstellen soll.«
Priest grinste zufrieden. »Siehst du? Wer sagt‘s denn. Es gibt immer noch ein paar vernünftige Kalifornien« Dann wurde er wieder ernst. »Aber das hilft mir nicht, eine Möglichkeit zu finden, wie wir mit dem seismischen Vibrator über die Straßen fahren können, ohne vom ersten Cop, der uns sieht, rechts rangewinkt zu werden.«
»Ich gehe jetzt zu Dusty«, sagte Melanie. Priest begleitete sie. Dusty lag in Melanies Hütte auf dem Bett. Seine Augen tränten, sein Gesicht war rot, und er rang keuchend nach Atem. Flower saß neben dem Jungen und las ihm aus einem Buch vor, auf dessen Einband das Bild eines riesigen Pfirsichs zu sehen war. Priest streichelte seiner Tochter übers Haar. Lächelnd schaute sie zu ihm auf, ohne beim Lesen innezuhalten.
Melanie holte ein Glas Wasser und gab dem Jungen eine Tablette. Priest hatte Mitleid mit Dusty, war jedoch wider Willen froh über den Zustand des Jungen, denn seine Krankheit war ein Riesenglück für die Kommune. Melanie saß in der Falle: Auf der einen Seite glaubte sie irgendwo leben zu müssen, wo die Luft rein war, auf der anderen Seite bekam sie außerhalb der Stadt keinen Job. Den einzigen Weg aus dieser Sackgasse boten ihr die Kinder von Eden. Wenn sie von hier fortgehen mußte, fand sie vielleicht eine andere, ähnliche Kommune, die sie aufnahm – vielleicht aber auch nicht. Außerdem war sie viel zu enttäuscht und entmutigt, um noch einmal von vorn anzufangen.
Und da ist noch etwas, sagte sich Priest. Tief in Melanies Innerem tobte ein schrecklicher Zorn. Priest wußte nicht, was diesen Zorn speiste, doch er war heiß und wild genug, um in Melanie den Wunsch zu entfachen, die Erde zum Beben zu bringen, Städte in Schutt und Asche zu legen und dafür zu sorgen, daß die Menschen schreiend aus ihren Häusern flüchteten. Die meiste Zeit über blieb dieser Zorn hinter der Fassade einer äußerst attraktiven, aber verzweifelten und ratlosen jungen Frau verborgen. Nur manchmal, wenn sie ihren Willen nicht bekam und sich niedergeschlagen und machtlos fühlte, kam er zum Ausbruch.
Priest ließ Melanie, Flower und Dusty allein, machte sich auf den Weg zu Stars Hütte und grübelte über das Problem mit dem Laster nach. Vielleicht hatte Star eine Idee. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, den seismischen Vibrator so zu tarnen, daß er wie irgendein anderes Fahrzeug aussah, ein Cola-Transporter oder ein Kran oder sonst etwas.
Priest betrat die Blockhütte. Star klebte ein Heftpflaster auf Ringos Knie – eine Aufgabe, die sie mindestens einmal täglich erledigen mußte.
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