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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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umgeschaltet. Die Sendung wurde von zwei Moderatoren geleitet, einem Mann und einer Frau. Beide sprachen sekundenlang in die Kamera.
    Dann zeigten sämtliche Fernseher im Schaufenster das Schwarzweißfoto eines Mannes mit dichtem Bart und Cowboyhut.
    Priest starrte es an.
    Der Mann auf dem Bild hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihm.
    »Was meinst du?« fragte er Melanie.
    »Nicht einmal ich käme auf den Gedanken, daß du dieser Mann sein könntest«, erwiderte sie. Erleichterung spülte wie eine Woge über Priest hinweg. Der Vollbart und der Schnäuzer hatten die Form seines Gesichts verändert, und der Hut hatte sein unverkennbarstes Merkmal verborgen: das lange, dichte, wellige Haar. Nicht einmal er selbst hätte sich darin wiedererkannt, hätte er nicht gewußt, daß er dieser Mann sein sollte.
    Die Spannung fiel von ihm ab. »Ich danke dir, Gott der Hippies«, sagte er.
    Sämtliche Apparate flimmerten kurz auf; dann erschien ein weiteres Bild. Entsetzt sah Priest, wie auf dem Dutzend Fernseher ein Polizeifoto erschien, das ihn als Neunzehnjährigen zeigte. Sein Gesicht war so hager, daß es fast wie ein Totenschädel aussah. Heute war er ein ansehnlicher Mann; damals jedoch, als er Rauschgift genommen und gesoffen hatte, ohne auch nur eine regelmäßige Mahlzeit zu sich zu nehmen, hatte er wie der wandelnde Tod ausgesehen. Das Gesicht wirkte ausgezehrt, die Miene mürrisch. Das Haar war stumpf und strähnig und zu einem Beatles-Pilzkopf geschnitten, der selbst damals schon aus Mode gewesen war.
    »Würdest du mich danach erkennen?« fragte er Melanie.
    »Ja«, sagte sie. »An der Nase.«
    Erneut betrachtete er sein Konterfei. Melanie hatte recht; das Bild zeigte seine unverwechselbare schmale Nase, die wie eine gekrümmte Messerklinge aussah.
    Melanie fügte hinzu: »Ich glaube aber nicht, daß dich irgend jemand anders erkennen würde. Ein Fremder ganz bestimmt nicht.«
    »Genau das hab‘ ich auch gerade gedacht.«
    Melanie legte ihm den Arm um die Hüfte und drückte ihn liebevoll an sich. »In jungen Jahren hast du wie ein verdammt schlimmer Finger ausgesehen.«
    »Ich war ein schlimmer Finger.«
    »Woher haben die Cops eigentlich das Foto?«
    »Aus meiner Strafakte, nehme ich an.«
    Melanie schaute zu ihm auf. »Ich wußte gar nicht, daß es eine Strafakte von dir gibt. Was hast du denn angestellt?«
    »Willst du ‚ne Liste haben?«
    Sie schien schockiert und ein bißchen wütend zu sein.
    Spiel mir nicht die Tugendhafte vor, Baby – denk bloß mal dran, wer uns verraten hat, wie man ein Erdbeben auslöst.
    »Ich hab‘ die Gangsterlaufbahn aufgegeben, als ich in dieses Tal kam«, sagte er »Die letzten fünfundzwanzig Jahre hab‘ ich nichts Unrechtes mehr getan – bis ich dich kennengelernt hab‘.«
    Melanie zog die Brauen zusammen. Priest erkannte, daß sie sich nicht als Kriminelle betrachtete. In ihren Augen war sie eine ganz normale, ehrbare Bürgerin, die zu einer Verzweiflungstat getrieben worden war. Melanie glaubte immer noch, sie gehörte zu einer anderen Sorte von Mensch als gewöhnliche Diebe und Mörder.
    Von mir aus kannst du denken, was du willst – solange du dich nur an den Plan hältst.
    Die beiden Nachrichtenmoderatoren erschienen wieder; dann wurde das Bild eines Wolkenkratzers gezeigt. Am unteren Teil der Bildschirme erschien ein Schriftzug. Diesmal spielte es keine Rolle, daß Priest nicht lesen konnte: Er wußte auch so, um welches Gebäude es sich handelte. Es war das Federal Building, in dem auch die FBI-Außenstelle San Francisco untergebracht war. Vor dem Gebäude fand eine Demonstration statt, und Priest erinnerte sich, daß Melanie in der Zeitung darüber gelesen hatte. Die Leute demonstrierten für die Kinder von Eden, hatte sie gesagt. Eine Gruppe von Leuten mit Transparenten und Megaphonen beschimpfte gerade mehrere Personen, die das Gebäude betreten wollten. Die Kamera nahm eine junge Frau aufs Korn, deren Gesichtszüge einen asiatischen Einschlag verrieten. Priest betrachtete sie aufmerksam. Die Frau war von einer exotischen Schönheit, die eine starke erotische Anziehungskraft auf ihn ausübte. Sie war schlank und trug einen eleganten dunklen Hosenanzug, doch in ihrem Gesicht lag etwas Bedrohliches – ein Ausdruck, der besagte: ›Kommt mir bloß nicht in die Quere‹ Zielstrebig und entschlossen bahnte sie sich einen Weg durch die Menge.
    »Ach du meine Güte, die ist das!« sagte Melanie.
    »Du kennst die Frau?« fragte Priest verdutzt.
    »Ich habe sie

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