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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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muß lernen, mit dem Auf und Ab in unserer Branche fertigzuwerden.«
    »Das habe ich bereits gelernt, Brian!«
    »Schreien Sie hier nicht rum!«
    »Ich habe es gelernt«, wiederholte Judy mit gesenkter Stimme. »Vor zehn Jahren hat man mich auf solche Fälle angesetzt. Damals war ich neu und unerfahren, und mein Vorgesetzter hatte keine Ahnung, wie weit er sich auf mich verlassen konnte. Damals hab‘ ich solche Fälle gerne übernommen, sie gewissenhaft erledigt und bewiesen, daß man mir, verdammt noch mal, auch vernünftige Arbeit zutrauen kann.«
    »Zehn Jahre sind gar nichts«, sagte Kincaid. »Ich bin schon seit fünfundzwanzig Jahren dabei.«
    Judy versuchte, vernünftig mit ihm zu reden. »Hören Sie, Brian,Sie haben diesen Posten eben erst übernommen. Und Ihre erste Amtshandlung besteht darin, eine Ihrer besten Agentinnen mit einem Anfängerjob abzuspeisen. Das fällt doch auf. Jeder wird denken, Sie hätten noch eine alte Rechnung zu begleichen.«
    »Sie haben recht, ich hab‘ den Posten gerade erst übernommen. Und schon wollen Sie mir erzählen, was ich zu tun habe. Los jetzt, Maddox, machen Sie sich an Ihre Arbeit!«
    Sie starrte ihn an. Er würde sie doch nicht einfach hinauswerfen …
    »Die Sitzung ist beendet«, sagte Kincaid.
    Das war zuviel für Judy. Jetzt kochte sie vor Wut.
    »Nicht nur die Sitzung«, sagte sie und erhob sich. »Leck mich doch am Arsch, Kincaid!«
    Wortlose Empörung zeichnete sich auf seiner Miene ab.
    »Ich kündige«, sagte Judy und verließ das Büro.
    »Das hast du wirklich gesagt?« fragte Judys Vater ungläubig.
    »Ja. Mir war klar, daß du das nicht billigen würdest.«
    »In diesem Punkt zumindest hattest du recht.«
    Sie saßen in der Küche und tranken grünen Tee. Judys Vater war Inspektor bei der Stadtpolizei von San Francisco und wurde häufig als verdeckter Ermittler eingesetzt. Er war ein kräftig gebauter Mann mit leuchtend grünen Augen und für sein Alter sehr fit. Sein graues Haar trug er zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    Er stand kurz vor dem Ruhestand und hatte einen Horror davor. Die Polizeiarbeit war sein ein und alles. Am liebsten hätte er bis zu seinem Siebzigsten weitergemacht. Daß seine Tochter den Job ohne Not hinschmiß, entsetzte ihn.
    Judys Eltern hatten sich in Saigon kennengelernt. Ihr Vater war zu Zeiten, da die amerikanischen Truppen dort noch als ›Berater‹ bezeichnet wurden, bei der Armee gewesen. Ihre Mutter stammte aus einer gutbürgerlichen vietnamesischen Familie: Judys Großvater war Rechnungsprüfer im Finanzministerium gewesen. Ihr Vater hatte seine junge Frau mit nach Amerika genommen, und Judy wurde in San Francisco geboren. Als Kleinkind nannte sie ihre Eltern Bo und Me, die vietnamesischen Bezeichnungen für Papa und Mama. Vaters Kollegen bei der Polizei gefiel das, und so hieß er bald überall nur noch Bo Maddox. Judy liebte ihn sehr. Sie war dreizehn gewesen, als ihre Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Seither standen sich Vater und Tochter sehr nahe, und nach der Trennung von Don Riley vor nunmehr einem Jahr war Judy wieder zu Bo ins Haus gezogen.
    Sie seufzte. »Es passiert nicht oft, daß ich die Beherrschung verliere«, sagte sie. »Das mußt du zugeben.« »Nur, wenn‘s wirklich drauf ankommt.«
    »Tja, aber nachdem ich Kincaid nun gekündigt habe, werd‘ ich‘s wohl durchziehen müssen.«
    »Nachdem du ihn derart beschimpft hast, wird dir wohl kaum was anderes übrigbleiben.«
    Judy stand auf und goß frischen Tee für sie beide nach. Innerlich schäumte sie noch immer vor Wut. »Kincaid ist wirklich ein hirnverbrannter Idiot …«
    »Sieht ganz so aus, schließlich hat er gerade eine gute Agentin sausen lassen.« Bo nippte an seinem Tee. »Aber du bist noch dümmer als er, denn du hast einen tollen Job sausen lassen.«
    »Ich habe heute schon ein viel besseres Angebot bekommen.«
    »Von wem?«
    »Brooks Fielding, die Anwaltskanzlei. Da kann ich das Dreifache von dem verdienen, was das FBI mir zahlt.«
    »Indem du Gangsterbosse vor dem Knast rettest!« erwiderte Bo mißbilligend.
    »Jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene Verteidigung.«
    »Warum heiratest du nicht einfach Don Riley und sorgst für Nachwuchs? Ein paar Enkel wären nicht schlecht. Da hätte ich was zu tun, wenn ich im Ruhestand bin.«
    Judy zuckte zusammen. Sie hatte Bo nie genau gesagt, weshalb sie sich wirklich von Don getrennt hatte. Die simple Wahrheit war: Don hatte sie betrogen. Dann hatte ihn das schlechte Gewissen

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