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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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einer Fabrikhalle.
    Judy steuerte ohne Umwege auf das Büro des SAC zu. Milton Lestrange hatte schon immer eine Schwäche für sie gehabt. Er hatte einst zu den ersten gehört, die für die Einstellung weiblicher Agenten eintraten, und mittlerweile betrug der Frauenanteil an der Gesamttruppe immerhin schon zehn Prozent. Manche SACs brüllten ihre Befehle heraus wie Armeegenerale, Milt dagegen blieb stets ruhig und höflich.
    Judy hatte kaum das Vorzimmer betreten, als ihr schlagartig klar wurde, daß irgend etwas nicht stimmte. Milts Sekretärin sah so aus, als ob sie geweint hätte. »Linda, geht es Ihnen nicht gut?« fragte Judy. Die Sekretärin, eine Frau mittleren Alters, die sich normalerweise durch kühle Effizienz auszeichnete, brach sofort wieder in Tränen aus. Judy ging zu ihr, um sie zu trösten, doch Linda hob abwehrend die Hände und deutete auf das Chefbüro. Judy öffnete die Tür.
    Der Raum war groß und mit einem entsprechend großen Schreibtisch sowie einem polierten Konferenztisch teuer möbliert. An Lestranges Schreibtisch saß, mit offenem Jackett und gelöster Krawatte, ASAC Brian Kincaid, ein hochgewachsener, wuchtiger Mann mit breiter Brust und vollem, weißem Haar. »Kommen Sie rein, Judy!« sagte er.
    »Was ist hier eigentlich los?« fragte sie. »Wo ist Milt?«
    »Schlechte Nachrichten«, sagte Kincaid, wiewohl er nicht sonderlich betrübt wirkte. »Milt liegt im Krankenhaus. Krebs. Bauchspeicheldrüse.«
    »O mein Gott!« Judy setzte sich.
    Lestrange war am Tag zuvor ins Krankenhaus gegangen – zu einer Routineuntersuchung, hatte er behauptet. Aber er mußte wohl gewußt haben, daß etwas nicht stimmte.
    Kincaid fuhr fort: »Sie werden ihn operieren, so ‚ne Art Darm-Bypass oder was weiß ich. Im günstigsten Fall wird er eine Zeitlang krankgeschrieben.«
    »Der arme Milt!« Judy war erschüttert. Lestrange sah aus wie ein Mann in der Blüte seiner Jahre, wirkte topfit, war tatkräftig und ein guter Vorgesetzter. Und jetzt stellte sich heraus, daß er an einer tödlichen Krankheit litt! Judy überlegte, wie sie ihn trösten könnte, aber ihr fiel nichts ein. Sie fühlte sich vollkommen hilflos.
    »Ich nehme an, Jessica ist bei ihm«, sagte sie. Jessica war Milts zweite Frau.»Ja, und sein Bruder kommt heute noch mit dem Flugzeug aus Los Angeles. Hier im Büro …«
    »Was ist mit Milts erster Frau?«
    Kincaid wirkte irritiert. »Von der weiß ich nichts. Ich habe nur mit Jessica gesprochen.«
    »Irgend jemand sollte sie informieren. Ich werde mal sehen, ob ich ihre Telefonnummer finde.«
    »Wie Sie wollen«, sagte Kincaid ungeduldig. Es reichte ihm nun mit dem persönlichen Kram; er wollte Dienstliches besprechen. »Hier im Büro gibt es einige Veränderungen, das läßt sich nicht vermeiden. Für die Zeit von Milts Arbeitsunfähigkeit hat man mich zum Amtierenden SAC ernannt.«
    Judy erschrak. »Meinen Glückwunsch«, sagte sie, um einen neutralen Ton bemüht.
    »Ich versetze Sie ins Dezernat für Inlandsterrorismus.«
    Im ersten Augenblick reagierte Judy nur verwundert. »Und warum das?«
    »Weil ich glaube, daß Sie da gute Arbeit leisten können.« Er griff zum Telefon und sprach mit Linda: »Rufen Sie Matt Peters an und bitten Sie ihn, sofort zu mir zu kommen.« Peters leitete das entsprechende Dezernat.
    »Aber ich habe gerade meinen Fall erfolgreich abgeschlossen«, sagte Judy empört. »Die Fung-Brüder sind heute verurteilt worden.«
    »Gut gemacht. Aber das ändert nichts an meiner Entscheidung.«
    »Augenblick mal. Sie wissen, daß ich mich um das Amt des Dezernatleiters für Asiatische Bandenkriminalität beworben habe. Wenn man mich jetzt in ein anderes Dezernat versetzt, sieht es aus, als käme ich mit meinem gegenwärtigen Job nicht zurecht.«
    »Ich bin der Meinung, Sie sollten Ihren Erfahrungshorizont erweitern.«
    »Und ich bin der Meinung, daß Sie Marvin den Asien-Job zuschanzen wollen.«
    »Da haben Sie recht. Meiner Überzeugung nach ist Marvin der beste Kandidat für den Job.«
    Scheißkerl, dachte Judy wütend. Kaum ist er Chef, mißbraucht er seine neue Machtposition dazu, einen Kumpel zu befördern. »So einfach ist das nicht«, sagte sie. »Sie müssen sich an die Gleichstellungsregeln halten.«
    »Dann beschweren Sie sich«, sagte Kincaid. »Marvin ist höher qualifiziert als Sie.«
    »Ich hab‘ ‚ne Menge mehr Ganoven ins Gefängnis gebracht als er.«
    Kincaid grinste selbstgefällig und zog seine Trumpfkarte. »Aber Marvin hat zwei Jahre in der Zentrale

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