Die Kinder Von Eden : Roman
Mann: Wenn ich so ein verdammt hübsches Mädchen hätte, würde ich nie mehr auch nur aus dem Haus gehen.« Er grinste, sprang hinaus und warf die Tür hinter sich zu.
Der Lastwagen fuhr an und rollte zum nächsten Fähnchen.
Priest machte sich auf den Weg. Bei jedem Schritt auf dem sendero wirbelten seine Cowboystiefel Staubwölkchen auf. Weiter vorn, dort, wo sein Wagen stand, sah er Star rastlos und sichtlich beunruhigt auf und ab gehen.
Vor vielen Jahren war sie einmal eine Berühmtheit gewesen, wenn auch nur kurzfristig. Zur Blütezeit der Hippie-Kultur hatte sie in Haight-Ashbury gelebt, einem Stadtteil von San Francisco. Persönlich kannte Priest sie damals noch nicht – Ende der sechziger Jahre war er gerade damit beschäftigt gewesen, seine erste Million zu verdienen. Aber er kannte die Geschichten, die sich um sie rankten. Star war damals eine strahlende Schönheit gewesen, groß und schwarzhaarig, die Figur kurvenreich und wohlproportioniert wie eine Sanduhr. Sie hatte eine Schallplatte herausgebracht, auf der sie zu der psychedelischen Musik einer Band namens Raining Fresh Daisies Gedichte rezitierte. Das Album war ein kleiner Hit gewesen – und Star war eine Zeitlang in aller Munde.
Was sie jedoch zur Legende gemacht hatte, war etwas anderes: ihr unersättlicher sexueller Appetit. Sie trieb es mit jedem, der gerade ihre Phantasie erregte – mit neugierigen Zwölfjährigen und verblüfften Männern in den Sechzigern, mit jungen Männern, die sich für schwul hielten, und Mädchen, die gar nicht wußten, daß sie lesbisch waren, mit Freunden, die sie seit Jahren kannte, und Fremden, die sie sich von der Straße holte.
Doch das war inzwischen schon lange her. In ein paar Wochen würde sie ihren fünfzigsten Geburtstag feiern. Ihr Haar war von grauen Strähnen durchzogen und ihre Figur noch immer üppig, wenn sie auch dem Vergleich mit dem Stundenglas nicht mehr standhielt: Mittlerweile wog Star achtzig Kilo, verfugte aber immer noch über außergewöhnliche sexuelle Anziehungskraft. Wenn sie eine Bar betrat, drehten sich alle Männer nach ihr um.
Selbst jetzt, besorgt und verschwitzt, wie sie war, wirkte ihr rastloses Hin und Her neben dem billigen alten Wagen sexy und das Gewoge ihres Körpers unter dem dünnen Baumwollkleid wie eine einzige Einladung. Priest hätte sie am liebsten auf der Stelle vernascht.
»Na, wie sieht‘s aus?« fragte sie, kaum daß er in Hörweite kam.
Priest war ein Optimist. »Ganz gut«, sagte er.
»Das klingt schlecht«, erwiderte Star skeptisch. Sie kannte ihn zu gut, um alles, was er sagte, für bare Münze zu nehmen.
Priest berichtete ihr von dem Angebot, das er Mario gemacht hatte. »Das Beste daran ist, daß am Ende er die Suppe auslöffeln muß«, schloß er.
»Wieso?«
»Denk doch mal drüber nach: Er kommt nach Lubbock und sucht mich. Ich bin aber nicht da, genausowenig wie der Laster. Da geht ihm langsam auf, daß man ihn übers Ohr gehauen hat. Was macht er nun? Glaubst du vielleicht, er schlägt sich nach Clovis durch und erzählt in der Firma, daß ihm der Truck geklaut wurde? Kann ich mir nicht vorstellen. Denn im günstigsten Fall wird er bloß rausgeschmissen, im schlimmsten handelt er sich eine Anzeige wegen Lastwagendiebstahls ein und landet im Knast. Jede Wette also, daß er sich gar nicht erst in Clovis blicken läßt. Er wird sich ins nächstbeste Flugzeug setzen, das ihn wieder nach El Paso bringt. Dort packt er seine Frau und seine Kinder ins Auto und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Und dann sind die Bullen natürlich überzeugt, daß er den Brummi gestohlen hat. Ricky Granger dagegen gerät nicht einmal unter Verdacht.«
Star runzelte die Brauen. »Der Plan ist super, aber wird Mario den Köder annehmen?«
»Ich glaub‘ schon.«
Ihre Besorgnis wuchs. Sie schlug mit der flachen Hand auf das staubige Autodach und sagte: »Verdammt! Wir brauchen diesen Laster unbedingt!«
Priest war ebenso besorgt wie sie, überspielte das aber mit übertriebener Selbstsicherheit. »Wir kriegen ihn. Wenn nicht auf diese Weise, dann eben auf eine andere.«
Star setzte ihren Strohhut auf, lehnte sich wieder an den Wagen und schloß die Augen. »Hoffentlich hast du recht.«
Er streichelte ihre Wange. »Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen, Gnädigste?«
»Ja, bitte. Bringen Sie mich in mein klimatisiertes Hotelzimmer.«
»Das kostet aber was.«
Star riß in gespielter Unschuld die Augen auf. »Muß ich dafür was Schlimmes tun, der Herr?«
Seine Hand
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