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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Ja, das sollte möglich sein.«
    »Wie das?«
    Nach einem Mausklick wandte sich Michael vom Bildschirm ab und sah Judy an. »Einem normalen Erdbeben geht eine graduell zunehmende Anzahl von Vorbeben oder kleineren Erschütterungen voraus, die wir auf dem Seismographen erkennen können. Wenn das Beben dagegen von einer Explosion ausgelöst wurde, fehlen diese Vorbeben, und die Kurve beginnt mit einem charakteristischen spitzen Ausschlag, einem sogenannten Spike.«
    Er drehte sich wieder zu seinem Computer um.
    Bestimmt ist er ein guter Lehrer. Er kann die Dinge verständlich erklären, kennt aber wahrscheinlich auch keinerlei Toleranz gegenüber studentischen Nachlässigkeiten. Er ist genau der Typ, der unangekün- digte Tests schreiben läßt und Zuspätkommer von seinen Vorlesungen ausschließt.
    »Das ist merkwürdig«, sagte Michael.
    Judy blickte über seine Schulter auf den Monitor. »Was ist merkwürdig?«
    »Das Seismogramm.«
    »Ich sehe keinen Ausschlag.«
    »Nein. Es gab keine Explosion.«
    Judy wußte nicht, ob sie darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte. »Dann hat das Erdbeben natürliche Ursachen?«
    Michael schüttelte den Kopf. »Da bin ich mir nicht sicher. Es gibt Vorbeben, ja – nur habe ich Vorbeben wie diese hier noch nie gesehen.«
    Judy war am Ende ihres Lateins. Er hatte ihr eine klare Auskunft darüber versprochen, ob die Behauptung der Kinder von Eden aus der Luft gegriffen war oder nicht. Und jetzt war er sich nicht sicher. Das war ja zum Verrücktwerden! »Was ist denn an diesen Vorbeben so ungewöhnlich?« fragte sie.
    »Sie sind zu regelmäßig. Sie wirken künstlich.«
    »Künstlich?«
    Michael nickte. »Ich weiß nicht, was diese Schwingungen verursacht hat – aber natürlich sehen sie nicht aus. Ich glaube jetzt wirklich, daß Ihre Terroristen da was gedreht haben – irgend etwas … Ich weiß bloß noch nicht, was genau.«
    »Können Sie das herausfinden?«
    »Ich hoffe es. Ich muß ein paar Leute anrufen. Es wird sich ja schon eine ganze Reihe von Seismologen über diese Kurve hier die Köpfe zerbrechen. Gemeinsam sollte uns eigentlich ein Licht aufgehen.«
    Allzu sicher schien er sich seiner Sache nicht zu sein. Aber Judy ging davon aus, daß sie sich wohl fürs erste zufrieden geben mußte. Mehr war aus Michael heute abend nicht herauszubekommen. Sie selbst mußte jetzt so schnell wie möglich zum Tatort. Sie nahm den Computerausdruck an sich. Er enthielt eine Anzahl kartographischer Daten.
    »Vielen Dank, daß Sie sich Zeit für mich genommen haben«, sagte sie. »Ich bin Ihnen sehr verbunden.« »War mir ein Vergnügen.«
    Er lächelte sie an – ein strahlendes Hundert-Watt-Lächeln, das zwei Reihen weißer Zähne offenbarte. »Und noch ein schönes Wochenende mit Dusty.«
    »Danke.«
    Judy ging zu ihrem Wagen und fuhr zurück in die City. Sie wollte ins Büro gehen und im Internet auf den Flugplänen nach-sehen, ob es morgen früh einen Flug ins Owens Valley oder in dessen Nähe gab. Außerdem mußte sie überprüfen, welches FBI-Büro für das Owens Valley zuständig war, und den Kollegen von ihren Ermittlungen berichten. Zuletzt wollte sie mit dem örtlichen Sheriff sprechen und ihn zum Tatort kommen lassen.
    Golden Gate Avenue 450. Sie parkte den Wagen in einer Tiefgarage und fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf. Als sie an Brian Kincaids Büro vorbeikam, hörte sie drinnen Stimmen. Er machte offenbar Überstunden. Ob ich ihm jetzt Beine mache oder erst später, ist eigentlich egal, dachte sie, durchschritt das Vorzimmer und klopfte an die Tür des Chefbüros.
    »Herein!« rief Kincaid.
    Sie trat ein. Als sie sah, daß Marvin Hayes bei Kincaid war, verließ sie der Mut. Sie und Marvin konnten einander nicht ausstehen. Er saß im braunen Sommeranzug mit weißem Button-down-Hemd und schwarzgoldener Macho-Krawatte vor dem Schreibtisch. Er war ein gutaussehender Mann mit dunklem Haar im kurzen Bürstenschnitt und akkurat gestutztem Schnurrbart. Wer ihn sah, hielt ihn für einen Ausbund an Kompetenz, doch in Wirklichkeit war er das genaue Gegenteil des vorbildlichen Gesetzeshüters: faul, brutal, oberflächlich und skrupellos. Er seinerseits hielt Judy für eine prüde Pedantin.
    Das Pech war nur: Brian Kincaid mochte Marvin, und Brian war jetzt der Chef.
    Die beiden Männer wirkten gleichermaßen erschrocken wie schuldbewußt, als Judy eintrat und sofort merkte, daß die beiden gerade über sie geredet haben mußten. Um noch Salz in die Wunde zu streuen, fragte sie:

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