Die Kinder Von Eden : Roman
entgegen oder überholten sie; vor einem Burger-King-Restaurant parkten Autos; die Highway Patrol hatte einen jungen, Mann in einem roten Porsche angehalten; ein Arbeitstrupp der Straßenbauverwaltung schnitt die Sträucher am Fahrbahnrand zurück. Wieso waren diese Leute nicht alle wie gelähmt vom Schock?
Ob das Erdbeben überhaupt stattgefunden hatte? Plötzlich kamen Priest Zweifel. Hatte er sich das alles etwa nur im Drogenrausch eingebildet? Aber nein, er hatte sie doch mit eigenen Augen gesehen, die Erdspalte, die sich im Owens Valley aufgetan hatte -und doch schien es ihm, als sei das Beben viel weniger realistisch und vorstellbar als zuvor, da es nur eine fixe Idee gewesen war. Er gierte nach einer offiziellen Bestätigung – sei es in Form eines Fernsehberichts oder eines Titelfotos auf einer Illustrierten. Schon ein Gespräch wildfremder Leute in einer Bar oder in der Schlange vor einer Supermarktkasse hätte ihm genügt.
Am Spätnachmittag – sie befanden sich wieder auf dem Streckenabschnitt, der durch Nevada führte – fuhr Priest an einer Tankstelle vor. Der Barracuda folgte. Im schräg einfallenden Licht der untergehenden Sonne betankten Priest und Oaktree die beiden Fahrzeuge, während Melanie und Star in der Damentoilette verschwanden.
»Hoffentlich kommen wir in den Nachrichten«, sagte Oaktree gereizt.
Er machte sich die gleichen Gedanken wie Priest. »Warum auch nicht?« fragte der zurück. »Schließlich haben wir die Erde beben lassen!«
»Die Behörden könnten das unter den Teppich kehren.«
Wie viele Althippies glaubte auch Oaktree, die Regierung kontrolliere die Nachrichtenmedien. Priest hatte da seine eigene Meinung. So einfach, wie Oaktree sich das vorstellte, war es sicher nicht. Die Menschen zensieren sich selbst, dachte er, indem sie keine Zeitungen kaufen und keine Fernsehsendungen sehen, die ihre Vorurteile in Frage stellen. Lieber lassen sie sich mit dem üblichen Mist füttern.
Oaktrees Bemerkung beunruhigte ihn trotzdem. Ein kleines Erdbeben in einer einsamen Gegend totzuschweigen, war vielleicht gar nicht so schwer.
Er betrat den Tankstellenshop, um zu zahlen. Die Klimaanlage ließ ihn frösteln. Hinter dem Mann an der Kasse plärrte ein Radio. Vielleicht können wir hier noch Nachrichten hören, dachte er, fragte den Mann nach der Uhrzeit und erfuhr, daß es fünf Minuten vor sechs war. Er zahlte, blieb aber noch im Laden und blätterte, Interesse vortäuschend, in Zeitschriften, die in einem Regal gestapelt lagen. Im Radio sang Billy Jo Spears Fifty-seven Chevrolet. Kurz darauf verließen Melanie und Star den Toilettenraum und betraten ebenfalls den Laden.
Endlich kamen die Nachrichten. Um sein Verweilen plausibel zu machen, wählte Priest umständlich noch ein paar Süßigkeiten aus und trug sie zur Kasse.
In der ersten Meldung ging es um die Hochzeit einer Schauspielerin und eines Schauspielers, die in einer Vorabendserie Nachbarn spielten.
Wen interessiert denn so ein Scheiß?
Nervös trat Priest von einem Fuß auf den anderen. Der Präsident der Vereinigten Staaten weilte auf Staatsbesuch in Indien … Hoffentlich lernt er dort einMantra. Der Mann an der Kasse nannte den Preis für die Süßigkeiten. Priest zahlte. Die nächste Meldung war sicher das Erdbeben … nein, es ging um eine Schießerei an einer Schule in Chicago.
Langsam schlenderte Priest auf die Ladentür zu. Melanie und Star folgten ihm. Ein anderer Kunde, der draußen seinen Jeep Wrangler aufgetankt hatte, kam herein, um zu zahlen.
Endlich sagte der Nachrichtensprecher: »Die Umweltterroristen, die sich ›Die Kinder von Eden‹ nennen, haben die Verantwortung für ein kleineres Erdbeben übernommen, das sich heute nachmittag im ostkalifornischen Owens Valley ereignete.«
»Ja!« flüsterte Priest und klatschte triumphierend mit der rechten Faust in die linke Hand.
»Wir sind keine Terroristen!« zischte Star ihm zu.
Der Nachrichtensprecher fuhr fort: »Das Erdbeben ereignete sich am selben Tag, für den die Gruppe ein Beben vorausgesagt hatte. Der Leiter der staatlichen Erdbebenwarte, Matthew Bird bestritt jedoch, daß dieses oder ein anderes Beben von Menschenhand ausgelöst werden könne.«
»Lügner!« flüsterte Melanie beinahe unhörbar.
»Die Erklärung der Gruppe erfolgte in einem Bekenneranruf an die erfolgreichste Talkrunde unseres Senders, ]ohn Truth Live.«
Priest hatte gerade den Ausgang erreicht, da tönte zu seinem Entsetzen Stars Stimme aus dem Radio. Wie angewurzelt
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