Die Kinder von Erin (German Edition)
freudestrahlend.
»Woraus besteht das?«
»Leim aus Tierknochen, Harz, dies und jenes«, sagte Laeg vage. »Aber es dichtet.«
Sorgsam wurde jede Naht mit der schwarzen, übel riechenden Masse bestrichen, die mit dem Erkalten schnell fest wurde, und mit Werg abgedeckt. Dann drehten sie das Boot um. Laeg prüfte jede Nahtstelle sorgsam gegen das Licht, ehe er schließlich das Gefährt zum Stapellauf freigab.
Sie schoben den Currach ins Wasser. Er war leichter als ein gewöhnliches Boot, aber das überraschte Hagen nicht. Schließlich bestand das Ding ja nur aus Leder und einem Holzgestänge. Außerdem war es nicht für die Ewigkeit gedacht. Es würde ausreichen, wenn das Schiffchen sie bis zu der Stelle brachte, die sie erreichen wollten. Und mit einer entsprechenden Besatzung würde es tief genug im Wasser liegen.
Darin lag das Problem. »Mehr als fünf, höchstens sechs von uns gehen da nicht rein«, stellte Hagen fest.
Sie sahen sich alle an. Keiner von ihnen wollte zurückbleiben, verständlicherweise.
»Ich brauche die besten Kämpfer«, sagte Hagen. »Wer weiß, was uns an unserem Ziel erwartet. Conall, Follaman, ihr beide. Wer ist noch gut?«
»Cormac«, sagte Laeg. »Mit dem Schwert ist er der beste. Und du brauchst mich, um das Boot zu steuern.«
»Dann also wir fünf«, fasste Hagen den Beschluss.
»Und was ist mit mir?«, fragte Erc Mac Felimid.
Hagen sah den Kleinen mitleidig, fast liebevoll an. »Ich brauche dich, damit du später ein Lied darüber schreibst«, sagte er, »wenn du einmal ein richtiger Barde geworden bist wie dein Vater.«
»Aber wie soll ich ein Lied schreiben, wenn ich nicht weiß, wie es war?«, beklagte sich Erc. »Außerdem bin ich der Leichteste. Ich werde das Boot nicht überladen.«
»Also gut«, gab Hagen nach. »Dann sind wir zu sechst.«
Die anderen vier – Laegs Brüder sowie Fiachra und Cuscrid – murrten ein wenig, aber da Hagen der Anführer war, akzeptierten sie seine Entscheidung.
Als die Auserwählten sich für die Fahrt rüsteten, stellten sie fest, dass sie einen Großteil ihrer mitgeschleppten Rüstungen gar nicht brauchen konnten. Geschlossene Helme hätten sie nur behindert, mit Panzern konnte man nicht schwimmen, und für Schilde war an Bord kein Platz. So nahmen sie nur, was sie an Waffen mitführen konnten. Die sperrigeren Gegenstände wie Schwerter und Speere wurden im Bauch des Bootes verstaut.
Dann schoben sie alle gemeinsam das leichte Boot durch die Brandung. Erc hockte im Bug, während die anderen im Bauch des Currachs Platz nahmen und die kurzen, breiten Ruder packten, mit denen sich das Boot trotz des fehlenden Kiels einigermaßen stabilisieren ließ. Als Letzter schwang sich Laeg ins Heck, der das Steuer übernahm.
Die einsetzende Ebbe erfasste sie mit ihrem Sog, und der Strand blieb rasch zurück. Die anderen winkten ihnen hinterher, ehe sie zurück zu den Pferden gingen. Es war schon später Nachmittag. Die Sonne vergoldete Strand und Wellen mit ihrem Glanz, ehe sie ihr Haupt mit einem heraufziehenden Dunstschleier verhüllte.
Wenn nur kein Nebel aufzieht, dachte Hagen. Zwar hatte nichts darauf hingedeutet, doch hier, in den Randgebieten der bewohnten Welt, mochte alles anders sein.
Das Licht veränderte sich, wurde fahler. Die Wellen, die eben noch grau-grün gewesen waren, bekamen einen metallischen Glanz. Ein Klang lag in der Luft, wie ein Dröhnen von Erz, deutlich zu vernehmen selbst über dem endlosen Rauschen des Meeres.
»Hört ihr es auch?« Das war Erc Mac Felimid, der vom Bug aus in die Tiefe starrte. »Es klingt, als käme es von unten.«
Sie ließen die Ruder einen Moment sinken und lauschten.
»Hört sich an wie eine Glocke«, sagte Conall Cearnach, der neben Hagen saß.
»Eher wie ein Horn«, meinte Hagen.
»Oder wie ein großes Tier«, kam Laegs Stimme vom Heck her.
»Es gibt so große Fische im Meer«, erklärte Erc, »dass sie aussehen wie eine Insel, wenn sie an die Oberfläche kommen. Und wenn man an Land geht und ein Feuer auf dieser Insel macht, dann tauchen sie unter und man ertrinkt.«
»Unsinn«, sagte Hagen. Aber seine Stimme war ein wenig unsicher. »Die größten Tiere im Meer sind keine Fische, sondern Säugetiere, und das sind die Wale.«
»Und wie groß sind sie?«
»Na ja, die größten von ihnen wiegen über hundert Tonnen.«
»Sag ich doch!«
Sie ruderten weiter. Sie waren jetzt aus der Brandungszone hinaus, wo die Dünung des Ozeans begann. Wie auf einer großen Hebebühne ließ sie das
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