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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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hatte kämpfen können; nein, größer und mächtiger erschien er jetzt, wie ein Zauberer aus einer alten Sage, gehüllt in einen Mantel, der blau war wie die Farbe des Himmels, ehe die Nacht hereinbricht. Dann knackte ein Scheit in der verlöschenden Glut des Feuers, ein Ascheschauer wehte auf, und es war alles wieder wie zuvor.
    Der Wind strich über den kahlen Strand. Irgendwo schrie ein Seeadler, und sein Schrei mischte sich mit dem Rauschen der Wellen. Siggi zählte die Wellen, die auf den Strand aufliefen, und die letzte, größte löschte alle vorangegangenen aus.
    »Ich möchte wissen, was aus ihnen geworden ist«, ergriff er schließlich wieder das Wort. »Den Firbolg, meine ich.«
    Amergin hob den Kopf. Er sah ihm in die Augen. Dann, als habe er einen Entschluss gefasst, stand der Druide auf.
    »Kannst du laufen, Junge?«
    Siggi zuckte die Schultern. Na ja, immerhin war er Jogger. Da konnte er natürlich laufen. Aber nach seinen Erfahrungen als Kämpfer war er jetzt etwas vorsichtig geworden mit seinen Behauptungen. »Ich denke schon.«
    »Dann komm«, forderte Amergin ihn auf und setzte sich in Bewegung.
    Siggi folgte ihm auf dem Fuße und passte seinen Lauf dem seines Führers an, der in einen zügigen und stetigen Trab verfiel, einen Trott jener Art, die es ermöglichte, weite Strecken zu laufen, ohne je richtig zu ermüden.
    »Wie habt Ihr mich bezwungen?«, fragte Siggi im Laufen. »War ich so schlecht?«
    »Nein, im Gegenteil«, antwortete Amergin, ohne ihn dabei anzusehen. »Ich habe gemogelt. Ich habe dich mit deiner eigenen Kraft bekämpft, und ich ließ dich wütend werden, damit du die Ruhe und Beherrschung verlierst. Das musst du noch lernen.«
    »Das ist unfair«, empörte sich Siggi.
    »Ein alten Mann wie mich verprügeln zu wollen etwa nicht?« Der Druide lachte und warf einen kurzen Seitenblick auf Siggi. »Aber ich werde dich lehren, dich dagegen zu wappnen, dass andere an deiner Kraft zehren.«
    »Wie?«, fragte Siggi.
    »Warte es ab. Denk dran: Ruhe und Beherrschung«, entgegnete Amergin.
    Danach schwiegen sie und liefen eine Weile nebeneinander her. Die Landschaft zog an ihnen vorüber, aber Siggi hatte keinen Blick für die Bäume und Sträucher und für das grüne Meer aus Gras. Ihn beschäftigten das, was der Druide gesagt hatte. Wenn Amergin mit seiner, Siggis, Kraft gekämpft hatte, dann dürfte es darum gar nicht so schlecht stehen. Siggi fand sein inneres Gleichgewicht zurück, und endlich fiel ihm ein, dass er die elementarste Regel der Höflichkeit missachtet hatte.
    »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt«, begann er. »Mein Name ist …«
    »Ich bin derjenige, der hier Namen vergibt, Junge«, unterbrach ihn Amergin. »Ich werde dich den ›Weißen‹ nennen, wegen deines Blondschopfes. Und ›Finn‹ ist kein schlechter Name in der Sprache von Erin.«



3
Der Hund des Königs
    Alles war rot. Aber es war kein gleichmäßiges, durchgehendes Rot. Es waberte in allen Tönen, vom hellen Orange bis hin zum tiefsten Purpur. Nichts war geordnet, alles war in Bewegung. Vor Hagens Augen tanzte ein waberndes Chaos.
    Wut erfüllte den Jungen; lodernder, flammender Zorn. Es war schon fast der blanke Hass – Hass auf diese einäugigen, grünen Monster, die …
    Gunhild …!, durchfuhr es ihn glühend heiß, und allein der Gedanke an das Mädchen ließ den roten Zorn noch heller und intensiver aufflammen. Wilde, alles verzehrende Raserei hatte ihn gepackt. Er war nicht mehr er selbst; nichts anderes hatte Platz neben diesem alles überlagernden Gefühl, das ihn bis in die letzte Faser seines Körpers erfüllte.
    Für einen Moment scheint er neben sich selbst zu stehen und sich durch das Rot wie durch ein gefärbtes Glas oder roten Wein zu sehen. Er verschwimmt. Sein Körper zuckt und ist verzerrt, als pulsiere er mit dem Rot; als würden die lodernden Flammen der Wut ihn verzehren. Nein, vielmehr sieht es aus, als wäre er selbst das Feuer seines Zorns.
    Nur langsam, ganz langsam verwischte dieser Eindruck, und das Rot vor seinen Augen beruhigte sich, bis es nach und nach verebbte. Hagen hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte, bis die Flammen des Zorns niedersanken. Zeit spielte für ihn in diesen Augenblicken keine Rolle.
    Doch je mehr der Zorn verrauchte, desto stärker spürte Hagen den pochenden Schmerz in seinem Kopf. Es war, als hätte ihn eine Dampframme am Kopf getroffen, und als schwinge der Schmerz nun vor und zurück. Immer heftiger pulste die Pein durch seinen Schädel.

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