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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Anzeichen der Erschöpfung. Der Fremde kämpfte mit einer Geschicklichkeit, die Siggi Hochachtung abrang. Aber trotzdem wollte er sich nicht ergeben. Es war für ihn zu einer Frage der Ehre geworden.
    Doch letztlich half es alles nichts. Ein Moment der Unachtsamkeit genügte seinem Gegner. Statt mit Axt oder Schild anzugreifen, trat er Siggi die Beine weg. Völlig überrascht, fand Siggi sich auf dem Rücken wieder, die Axt nur noch kraftlos in Händen.
    Über ihm stand der dunkle Mann, bereit, den letzten Hieb zu führen.
    »Ich gebe auf«, keuchte Siggi, ließ die Axt los und hob den rechten Arm zum Zeichen, dass es keine List war, die er anwandte.
    »Ein guter Kampf«, knurrte der Mann. »Du hast die Fähigkeit, einmal ein Krieger zu werden.«
    »Ich habe doch wieder verloren«, sagte Siggi. Die zweite Niederlage nagte an seinem Selbstvertrauen.
    »Aber das ändert nichts daran, dass du gut gekämpft hast. Und du hast im richtigen Moment aufgegeben. Manchmal ist es besser, das Leben zu behalten und später zurückzuschlagen. Tote Krieger, die sinnlos in einer verlorenen Schlacht fallen, nützen nichts. Aber wer sich zur rechten Zeit ergibt, mag zu anderen Zeiten wieder in den Kampf ziehen.«
    »Das ist wahr«, entgegnete Siggi. Es war eine Lehre, die er schon früher einmal erteilt bekommen hatte, doch jetzt begriff er, was damit gemeint war.
    Der Mann reichte Siggi den Wasserbeutel, nachdem er selbst einen tiefen Zug genommen hatte, und dennoch erschien es Siggi, als wäre nicht weniger darin als zuvor.
    Er trank und setzte den Beutel ab. »Erzähl mir mehr«, bat er.
    »Dein Kampf war gut, so hast du die Belohnung verdient«, sagte der Fremde. »Also setz dich. Und iss noch was.«
    Beide setzten sich wieder ans Feuer. Siggi schnitt sich noch ein großes Stück von dem Braten ab. Essen und Trinken ließen ihn den Schmerz seiner Niederlage vergessen. Und dann begann der Fremde wieder zu erzählen, als wäre nichts geschehen.
    »Partholán war der Zweite, der nach Erin kam. Er kam mit seiner Königin Delgnaid und seinem Gefolge. Damals gab es nur drei Seen in Erin, nur neun Flüsse und eine Ebene. Es gab nicht viel in diesem Land, von dem man leben konnte, und so tranken sie den Tau von den Blättern und aßen die Kräuter des Feldes.
    Neun Monate später gebar Partholáns Frau einen Sohn. Sie nannte ihn Tuan.
    Ich weiß es, denn ich war da …
    Damals kamen die Fomorier das erste Mal nach Erin, ein hässliches, grausames Volk von Riesen. Sie haben nur ein Auge in der Mitte der Stirn, und es heißt, dass ihre Kinder aus Eiern schlüpfen, wie bei Echsen, und nicht geboren werden wie Menschenkinder. Mit einem Heer dieser Wesen kämpfte Partholán um die Herrschaft von Erin und trieb sie hinaus ins Meer.
    Doch dann wurde Partholáns Volk von einer großen Seuche befallen, und nachdem sie sich auf der alten Ebene versammelt hatten, um ihre Toten zu begraben, siechten sie alle dahin, bis auf den letzten Mann.
    Tuan blieb allein zurück, und er wanderte von einem leeren Dorf zum andern, von Fels zu Fels, um Schutz vor den Wölfen zu finden. Einundzwanzig Jahre lang lebte er so für sich, bis das Alter ihn entkräftet und in die Knie gezwungen hatte.
    Dann kam Nemed, Partholáns Bruder, um Erin in Besitz zu nehmen. Mit zweiunddreißig Schiffen war er in See gestochen und dreißig Personen in jedem Schiff, doch nach einem Jahr und einem Tag auf See waren die meisten von ihnen durch Hunger, Durst oder Schiffbruch gestorben. Neun nur überlebten – Nemed selbst mit vier Männern und vier Frauen.
    Tuan sah sie von der Klippe aus, und er versteckte sich vor ihnen. Er war nackt, sein Haupthaar und Bart und seine Nägel waren lang, seine Haut war grau, und er glich mehr einem wilden Tier als einem Menschen. Die Nacht brach herein, und der Morgen dämmerte herauf. Doch Tuan hatte solche Angst, gesehen zu werden, dass er sich über die Klippe ins Meer stürzte.
    Doch er starb nicht.
    Ich weiß es, denn ich war da …«
    Jetzt konnte sich Siggi doch nicht enthalten zu fragen: »Was soll das heißen: ›Ich war da‹?«
    Aber der Erzähler ließ sich nicht beirren und fuhr fort:
    »Nemed und sein Gefolge bevölkerten das Land, bis aus den acht über achttausend geworden waren. Und Nemed bekämpfte die Fomorier in vier großen Schlachten, doch dann starb er an einer Krankheit, welche ein Viertel seines Volkes hinwegraffte. So konnten die Fomorier ihre Herrschaft über das Land aufrichten, und sie verlangten als Tribut zwei Drittel

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