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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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wiederholte sich, nur dass Hagen diesmal nicht so lange brauchte, um sich darauf einzulassen.
    Er reckte und streckte sich und folgte dem Tier hinaus auf das offene Land. Kaum hatten sie den Wald verlassen, da fiel der Hund wieder in den alten Trott, und Hagen musste sich beeilen, um zu folgen.
    Die Wunde an seiner Stirn war verkrustet, der Kopfschmerz weg, und eine Beule war gewachsen, doch ansonsten fühlte er sich wohl. Aber schon nach den ersten Schritten kamen Hunger und Durst.
    Seine Kehle fühlte sich plötzlich rau und trocken an, und sein Magen knurrte so laut, dass selbst der Hund es hören musste.
    Das Tier ließ sich allerdings nicht beirren; es trottete gleichmäßig vor ihm her. Wenn Hagen seinen Führer nicht verlieren wollte, musste er weiterlaufen. Dabei war es gleichgültig, ob seine Zunge am Gaumen klebte.
    Doch er hätte das Gespür des Tieres nicht unterschätzen dürfen. Sie erreichten eine Hügelkuppe – die wievielte eigentlich, fragte sich Hagen –, als er vor sich in der Talsenke einen Teich erblickte. Das Wasser sah verlockend aus und zog ihn magisch an. Der Hund rannte voraus, und Hagen folgte ihm, immer schneller werdend. Das Wasser war so rein und klar, dass man es bestimmt würde trinken können.
    Am Ufer wuchsen wilde Früchte, die leuchtend rot hervorstachen. Sie waren so reif und prall, wie Beeren nur sein konnten, stellte Hagen fest, als er am Ufer des Teiches anlangte.
    Zunächst aß er ein paar der Früchte. Der Geschmack der Beeren war intensiver, schmeckte mehr nach Erdbeer als jede andere, die er von zu Hause kannte. Das waren Früchte! Dann schöpfte er Wasser aus dem Teich, ohne genau hinzusehen, so sehr war er mit Essen und Trinken befasst.
    Als er den gröbsten Hunger und Durst gestillt hatte, wandte er sich dem Teich zu, um sich mit dem kalten Wasser Arme und Gesicht zu waschen. Als er sich über die ruhige Wasserfläche beugte, blickte ihm aus der Tiefe ein Spiegelbild entgegen.
    Aber es war nicht sein eigenes Gesicht.
    Er hätte einen Jungen im Manchester-United -T-Shirt sehen müssen, mit dunklen, wirren Haaren und einer kaum verheilten Narbe auf der Stirn. Was er sah, war ein dunkelhaariger Mann, dessen umschattete Augen hinter einer Maske verborgen lagen – einer Art Brille aus Metall, fein ziseliert, die in einen Helm überging, an dem rechts und links zwei Hörner aufragten. Ein Mantel aus kariertem Tuch umgab seine Schultern; Gold blinkte von Helm und Spangen und Halsreif.
    Doch was ihn in den Bann zog, war der Blick dieser Augen. Dunkle Augen, halb verhüllt vom Schatten; Augen, in denen Klugheit lag, Härte und Entschlossenheit. Und ein Feuer, das er kannte; eine Flamme, die den Geist erleuchtete, doch jeden, der ihr zu nahe kam, verbrannte wie eine Motte.
    Hagen blinzelte und hob den Kopf. Die Bewegung war zu schnell, und die Wunde an seiner Stirn machte einen schmerzhaften Stich. Sonnenlicht lag über dem Teich. Er beugte sich wieder vor, aber in dem Spiegel des Wassers war nichts anderes zu sehen als sein zerzaustes Haar, das dreckige T-Shirt und sein eigenes, vertrautes, ein wenig verwirrtes Gesicht.
    Das Spiegelbild zersplitterte. Die Wasserfläche zerbrach in tausend Wellen. Wie aus einem Traum sah Hagen auf; neben ihm schlappte der Hund Wasser. Der Hund hob den Kopf und blickte ihn an; wieder hoben sich seine Lefzen, dass es aussah, als ob er lachte.
    Komm!
    Es war nicht das Wort selbst, was in Hagens Kopf aufgeklungen war, aber er sah Bilder, Bilder von Gedanken. Gedanken, die er empfing und in Begriffe umsetzte.
    Hagen schwankte zwischen Faszination und Verwirrung. Er sah den Hund groß an. Der Hund legte den Kopf schräg und hechelte.
    Komm!
    »Ja, gleich«, antwortete Hagen, mehr aus einem Reflex heraus, als dass er wirklich etwas sagen wollte. Er kam sich ein bisschen dämlich vor, mit einem Hund zu reden, aber er fuhr dennoch fort. »Ich will nur noch mal trinken.«
    Beeil dich!, meldete sich der Hund, ein wenig respektlos, wie Hagen dachte. Wir haben noch einen weiten Weg zu laufen.
    »Wohin denn?«, fragte Hagen, dem erst jetzt so richtig aufging, dass er nun die Möglichkeit hatte, zumindest ein paar Dinge in Erfahrung zu bringen. Der Hund mochte gesehen haben, was mit Gunhild passiert war. Aber sicher konnte er ihm sagen, wohin ihr gemeinsamer Weg führte.
    Zu Menschen, war die lapidare Antwort des großen Hundes.
    Der Junge schaufelte sich mit beiden Händen das kalte Wasser ins Gesicht, um wieder klar denken zu können. Auch brauchte er

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