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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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sehen, die ihn mit ihrem Blick bannten.
    Mehr aus Reflex als aus irgendeiner Planung oder überlegten Reaktion riss Hagen seinen Knüppel hoch. Das geöffnete Maul der Bestie schloss sich um den Stab, und Hagen hörte das Holz unter dem Biss ächzen. Fast glaubte der Junge, die Fänge des Hundes würden den Stab zermalmen, in Stücke zerfetzen und sich dann über ihn hermachen. Aber das Apfelbaumholz hielt den mächtigen Kiefern des schwarzen Hundes stand.
    Dann schlugen die dunklen Augen ihn in ihren Bann.
    Angst.
    Du hast Angst.
    Angst, die das Blut zu Wasser werden lässt, die Knochen erweicht.
    Er spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt; spürte, wie seine Arme nachgaben, wie sich das geifernde Maul mit den blitzenden Fängen näher und näher schob, spürte den heißen Atem der Bestie in seinem Gesicht.
    Angst ist ein Zittern in den Muskeln, ein Wurm in den Gedärmen, ein Geschmack im Mund wie von bitterem Salz.
    Wie leicht wäre es doch, sich einfach fallen zu lassen, einfach aufzugeben, vom Sein in das Nichtsein hinüberzugleiten, jenen Ort, wo es keine Träume mehr gibt, keinen Schmerz, keine Hoffnung.
    Das Ende der Angst ist der Tod.
    Irgendwo, unter den Schichten der Angst, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit, auf jener untersten Ebene, wo die Finsternis am tiefsten ist, glomm ein winziger Funke. Es war kein Licht, nicht einmal ein Flämmchen, aber es glühte weiter und weigerte sich, einfach zu erlöschen, wie der Docht einer Kerze verglimmt, wenn die Flamme bereits ausgebrannt ist. Aus irgendeiner unvorstellbaren Quelle wurde ihm Nahrung zuteil, und er glomm heller und heller, bis die Glut in den Augen stach, rot wie Feuer, rot wie Blut.
    Vor Hagens Augen wurde alles rot. Wut und Zorn stiegen in ihm auf, Zorn über seine eigene Hilflosigkeit. Der Junge dachte an Gunhild und wie er auch ihr nicht hatte helfen können. Und schon das reichte aus, um den roten, lodernden Zorn erneut in sich aufwallen zu lassen.
    Der Laut, das aus Hagens Kehle drang, war wie das Knurren eines Hundes. Dann ließ er den Stab los. Der Wächter war für einen Augenblick verwirrt.
    Hagen tat etwas, das er nie für möglich gehalten hätte. Er warf sich nach vorn, ungeachtet des herumwirbelnden Steckens, in den sich der Hund immer noch verbissen hatte. Das Holz traf ihn an der Schulter, aber er ignorierte den Schmerz, ja, spürte ihn kaum. Alles um ihn herum war von einem roten Schleier überzogen. Und als er seine Hand hob, war ihm, als habe sie keine feste Form mehr, sondern zucke wie die Flamme eines Feuers.
    Mit einem Satz schwang sich Hagen auf den Rücken des Tieres und nahm den mächtigen Hals des Hundes in den Schwitzkasten, noch bevor dieser richtig begriffen hatte, was eigentlich geschah. Der schwarze Hund knurrte aus tiefster Seele, aber mit seinen mächtigen Zähnen konnte er nun nicht mehr an seine Beute heran. Der Hund war verwirrt, bestürzt. Anscheinend hatte er sich so daran gewöhnt, sein Opfer nur durch die Kraft seines Willens einzuschüchtern, dass er gar nicht mehr wusste, was es hieß, zu kämpfen. Doch er war immer noch voller Kraft; ja, in seinen mächtigen Muskeln steckte weit mehr an Stärke, als ein bloßer Mensch aufbringen konnte. Noch war der Kampf nicht entschieden. Die schwarze Bestie spannte ihren Rücken und versuchte Hagens Griff zu brechen.
    Der klammerte sich fest, gar nicht bewusst, was er da tat. Eisern hielt er den Wächter gepackt, wehrte jeden der Versuche des Hundes ab, ihn abzuschütteln.
    Zorn wogte rot in Hagen. Und bald begann der Junge selbst zu versuchen, seinen Gegner zu Boden zu zwingen, aber der schwarze Hund widerstand. Ungeheure Kräfte maßen sich. Hagen, nicht mehr Herr seiner Sinne, warf sich mit dem ganzen Gewicht nach vorn. Die Beine der Bestie gaben nach, und das Tier ging zu Boden.
    Der Hund war zu überrascht, dass ihn jemand niedergerungen hatte, und für einen Moment erschlafften seine Muskeln. Diesen Augenblick, kaum mehr als der Bruchteil einer Sekunde lang, nutzte Hagen. Wie ein Wrestler packte er die Kiefer des Tieres und zerrte sie auseinander.
    Millimeter für Millimeter öffnete sich das gewaltige Maul, obwohl der Hund verzweifelt zuzubeißen versuchte.
    Hagens Schenkel umklammerten die Brust des Tieres wie in einem Schraubstock. Statt eines siegesgewissen Knurrens entrang sich der Kehle des Hundes ein panikartiges Winseln. Furcht, ja, Todesangst hatte das Tier gepackt. Verzweifelt versuchte es dem stählernen Griff seines Gegners zu entkommen. Aber Hagen,

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