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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Kutschen oder Karren befahren wurde. Er war also offensichtlich von Menschen gemacht.
    Sie folgten dem Weg, begegneten aber keiner Seele und sahen keine menschliche Behausung. Doch sie kamen ihr näher, denn das Gras in den Spurrinnen der Kutschen und Karren hatte keine Zeit gehabt, nachzuwachsen.
    Hagen packte seinen Stab fester. Er war entschlossen, ihn einzusetzen, wenn es nötig war. Einen Moment stutzte der Junge in seinem Lauf. In der Ferne konnte er ein Licht erkennen. Dort mussten Menschen sein.
    Der Hund hielt zielstrebig auf den Lichtschein zu, und Hagen, den Knüppel fest gepackt, folgte ihm. Inzwischen lief der Hund nur noch im gemächlichen Trott, der es Hagen erlaubte, trotz der Dunkelheit mit ihm Schritt zu halten.
    Teltin!, verkündete der Hund.
    »Wer oder was ist denn das?«, fragte Hagen.
    Der Ort, wo die Menschen sind, kam die Antwort seines grauen Führers.
    Sie kamen dem Licht immer näher, und im Schein des Mondes und der Fackeln am Tor erkannte Hagen eine Art Burg. Aus Holz errichtet, mit Wällen und Türmen, überragte sie einen hohen Ringwall aus Erde. Sie war ganz anders, als die Burgen, die man aus Ritterfilmen kannte. Dennoch hatte sie für Hagen etwas Beruhigendes: Hier gab es Menschen – Menschen, die offensichtlich den unheimlichen Erscheinungen dieses ebenso faszinierenden wie seltsamen Landes zu trotzen wussten.
    Er wünschte sich, den Burghof zu betreten, um zu sehen, was sich hinter dem Ringwall verbarg. In der Dunkelheit war nur wenig zu erkennen. Wo waren die Menschen?
    Teltin, die Burg des Königs, kommentierte der Wolfshund den Anblick der Feste, die mit jedem Schritt gewaltiger aufragte. Doch von Wachen oder Menschen überhaupt war nirgendwo etwas zu sehen oder zu hören.
    Dafür hörte Hagen ein Knurren.
    Es gibt Geräusche, die so tief sind, dass man sich fragt, ob man sie wirklich hört oder nur durch die Knochen des Schläfenbeins wahrnimmt, die mit ihnen mitschwingen, sodass der Ton sich fortpflanzt, bis er den ganzen Schädel erfüllt, in den Zähnen singt und in den Augenhöhlen dröhnt. Und doch hat man keinen Augenblick einen Zweifel daran, dass man diesen Laut wirklich hört. So ein Laut war dieses Knurren. Ein tiefer, animalischer Laut. Ein Laut, der sagte: Du bist in Gefahr!
    In den Kegel aus Licht, der aus dem halb geöffneten Torbogen drang, schob sich ein gewaltiger Schatten. Schwarz wie die Nacht war er, aber selbst als Licht auf ihn fiel, änderte sich die Schwärze nicht; vielmehr schien sie das Licht in sich aufzusaugen.
    Ein Hund; es war eindeutig ein Hund, der da in den Lichtkreis trat. Ein Tier noch gewaltiger als Hagens grauer Führer.
    Schwarz wie die Nacht war sein Fell, schwärzer noch seine glühenden Augen: zwei Pfühle von Dunkelheit, schwarz wie zwei Stück Kohlen, schwarz wie die Finsternis, die hinter den Sternen lauert. Nur ihre innere Glut hob sie vom Rest des Körpers ab.
    Hagen umklammerte seinen Stab, aber er fühlte sich dadurch ganz und gar nicht besser. Die Haltung des schwarzen Hundes, dessen Fell so zottig war wie das des grauen Wolfs, war drohend. Seine Ohren waren vorgestellt, die Lefzen gehoben; aber es lag kein Anflug eines Grinsens darin, sondern eine unverhüllte Drohung. Hagen verstand, was es heißen sollte: Keinen Schritt weiter!
    Gedanken und Bilder des dunklen Wächters klangen in Hagens Kopf auf. Aber es war alles so gänzlich anders als bei dem grauen Wolf. Alles, was Hagen empfand, war von Angriffslust und Hass gezeichnet. Er spürte, dieser schwarze Hund, der das Tor bewachte, würde sie zerreißen, wenn sie auch nur einen Schritt auf die Burg zu machten.
    Du kannst hier nicht vorbei, Hund der Dé Danann! Die Worte waren kalt wie ein Wind, der aus den Eisfeldern des Nordens weht.
    Ich vielleicht nicht, antwortete der Graue. Aber mein Held!
    Der Junge hatte den Sinn des Satzes überhaupt noch nicht begriffen, als der schwarze Hund auf ihn zusprang. Die zehn, zwölf Schritt Distanz waren für ihn kein Hindernis. Aber in dem Moment, als das riesige schwarze Tier über ihm war, erkannte Hagen, dass er dieser Held sein musste.
    Das Maul weit geöffnet, zum Biss bereit, ging der Schattenhund auf ihn los. Hagen stand wie erstarrt, und von da an hatte er das Gefühl, alles würde wirklich nur noch in Zeitlupe ablaufen. Jedes Detail erschien ihm überdeutlich: Er konnte das Spiel der Muskeln selbst unter dem dichten Fell noch verfolgen, sah, wie die schwarzen Haare sich im Wind regten, konnte die kohlschwarzen Augen der Bestie

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