Die Kinder von Erin (German Edition)
mit den beiden anderen zu bereden.«
Also hockte Gunhild sich an den Herd. Der große Kessel war unten schwarz von Ruß, aber am Rand schimmerte er wie reines Gold. Sie rührte in der Suppe und kostete davon. Nicht übel, vielleicht ein bisschen fad. Ein bisschen Maggi könnte nicht schaden.
Ein bisschen Magie könnte nicht schaden.
Sie grinste. Vielleicht waren ja die Kräuter der Alten noch zu etwas anderem nutze.
Sie öffnete eines der Tiegelchen, die auf dem steinernen Bord standen, und roch daran. Nein, das war zu süß. Und das, mit der Ogham-Rune mit den fünf doppelten Querstrichen, das war Eibe, und die war hochgiftig. Davor hatte die Caillech sie gewarnt.
Aber das hier, das roch wie Thymian. Eine gute Prise hinein, besser zwei. Und ein paar zerstoßene Eicheln. Gerbsäure, das zieht den Magen zusammen. Dazu eine Handvoll von diesen getrockneten Wacholderbeeren. Lorbeer müsste sie haben, aber den gab es hier nicht.
Sie hörte, wie draußen der Wind um die Mauern pfiff, aber es störte sie nicht. Sie war wie im Rausch. Mit traumwandlerischer Sicherheit nahm sie von diesem und jenem, verschmähte das eine, bediente sich reichlich beim anderen. Es war, als käme das Wissen, das sie sich in den langen Stunden mit der alten Hexe angeeignet hatte, ihr nun unbewusst zu Hilfe. Sie wusste so genau, was sie tat, dass sie nicht einmal darüber nachdachte.
Der Rauch verdichtete sich. Der Sturm heulte.
»Mischt ihr alle, mischt am Schwalle!
Feuer, brenn, und Kessel, walle!«
Shakespeare, Macbeth. Sie kannte es zwar nur aus einer Schülerversion, die ihre Theatergruppe geprobt hatte, aber diese Zeilen waren ihr im Gedächtnis geblieben.
Die Mauern von Cruachan erzitterten.
»Was machst du da?«
Gunhild blickte auf. Der ganze Raum war von dunklem Rauch erfüllt. Man konnte kaum die Hand vor den Augen sehen. Und ihre Augen tränten, sodass sie erst recht nichts erkennen konnte.
Wo kam dieser ganze Qualm her? Er wirbelte und tanzte, heulte und fauchte: ein entfesselter Hexenkessel. Das Wort bekam für sie auf einmal eine ganz neue Bedeutung.
Gesichter schälten sich aus den brodelnden Schwaden.
»Wir müssen den Kessel rausschaffen, sonst fliegt uns das Dach über dem Kopf weg.« Das war Érius befehlsgewohnte Stimme.
»Ich fasse mit an.« Das war Brigid.
»Ich auch.« Die Caillech.
Wie von Geisterhänden hob sich der Kessel von der Feuerstelle. Aber es war wohl der Qualm, der diesen Eindruck erweckte.
Durch die wallende Schwärze kämpften sie sich ins Freie. Die Sonne stand tief über dem Horizont – unwahrscheinlich tief. Wolken ballten sich am Himmel, vermengten sich mit dem Rauch aus dem Kessel. Dass ein so kleiner Topf so viel Qualm entwickeln konnte!
Sie schleppten sich über die freiliegende Treppe hinauf zu dem gedrungenen Turm, der die Ringmauern überragte. Hier blies der Wind am stärksten, zerrte an Kleidern und Haaren. Mittlerweile war es finster wie in der Nacht. Wetterleuchten erhellte den Himmel. Von Westen her zogen schwefelgelbe Sturmfronten heran. Regen peitschte das uralte Mauerwerk.
Gunhild konnte nicht verstehen, was die Frauen sprachen. Sie wollte sich entschuldigen für das, was sie angerichtet hatte, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und bei diesem Wind wäre es ohnehin vergeblich gewesen. Sie war durchnässt bis auf die Haut, und ihr war kalt.
»Geh zurück!« Da war Érius Stimme an ihrem Ohr. »Du wirst dir noch den Tod holen.«
Gehorsam wandte sie sich um und stieg wieder hinab. Der Wohntrakt war immer noch voller Rauch. Also folgte sie der Burgmauer, bis sie zum Stall kam. Die braune Kuh wartete bereits auf sie. So gereizt sie noch vor Stunden gewesen war, jetzt war sie ganz ruhig.
Gunhild drückte ihre Stirn an die warme Flanke der Kuh und atmete tief durch.
Ich bin hier, dachte sie. Hier kann mir nichts geschehen.
Und ihr war, als würde ihr – ob als fernes Echo oder tief aus ihrem Innern – eine Antwort zuteil. Es war die Stimme der Göttin, die sie so lange nicht mehr gehört hatte. Ihre Hand ging zu dem Halsreif, den sie trug, der einmal das Halsband der Göttin gewesen war. Es gab ihr Kraft.
Sei ruhig, mein Kind. Schlafe!
7
Im Herzen des Waldes
Sie waren noch auf dem offenen Feld, weit von dem schützenden Wald entfernt, als die ersten Regentropfen fielen. Erst waren sie geradezu erfrischend nach der Hitze des Tages, dann eher störend: große Tropfen, die einem ins Gesicht klatschten. Dann wurde der Regen stärker.
»Schneller«, rief
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