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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Füße, wie sie feststellte, waren fast schon geheilt. Nur noch ein paar gerötete Stellen auf der Haut zeugten von den Verletzungen, die sie sich zugezogen hatte.
    »Geh, mein Vögelchen, du wirst erwartet.«
    Gebückt, um sich nicht den Kopf an der niedrigen Decke zu stoßen, ging Gunhild hinaus auf den Gang, durch den sie gekommen war. Der Gang war gewunden und düster; die geneigten Wände schienen sich in einer unmerklichen Bewegung herabzusenken.
    Sie ging auf den Lichtschimmer zu ihrer Rechten zu; nach wenigen Schritten jedoch kam sie an eine Zisterne, die von oben her, durch einen schmalen Schacht, erleuchtet wurde. Drunten blinkte Wasser. Dahinter war nur ein niedriges Fenster zu sehen, das auf einen anderen Gang hinausführte. Doch ansonsten gab es hier kein Weiterkommen.
    Also drehte sie sich und folgte dem Gang in der anderen Richtung. Nach einer weiteren Biegung kam sie an eine Kreuzung; doch rechts und links schienen nur Kammern zu liegen. Also folgte sie dem Hauptgang und stand nach ein paar weiteren Schritten plötzlich im Freien.
    Die Sonne, die hinter einem Wolkenschleier an dem fahlen Himmel stand, schien sich noch um keinen Millimeter weiterbewegt zu haben. Es hätte warm sein können, wenn der Wind, der von Westen her über die Hochebene strich, nicht so viel Kühle mit sich gebracht hätte.
    Gunhild fröstelte. Sie stieg die wenigen Stufen hinauf, die der Eingang in den Boden eingelassen war. Hinter ihr ragte der Wall von Cruachan empor; aus der Nähe sah sie, dass er streckenweise schon mit Gras überwachsen war, als habe die Natur bereits angefangen, sich zurückzuerobern, was man ihr abgetrotzt hatte.
    Im Windschatten des Walles, auf einer kleinen steinernen, mit Grassoden belegten Bank, saß Ériu, erkennbar an ihrem braunen Gewand, und war mit irgendetwas beschäftigt. Gunhild konnte nicht genau erkennen, was es war. Neugierig trat sie näher.
    Breitbeinig saß die Herrin da. Zwischen ihren Schenkeln hielt sie eine Art schlankes, hohes Fass und in den Händen einen Stampfer, den sie rhythmisch auf und ab bewegte.
    »Was machst du da?«
    Die Frau sah von ihrer Arbeit auf. »Oh, ich sehe, du bist aufgewacht«, sagte sie anstelle einer Begrüßung. »Ich mache Butter«, fuhr sie fort. »Hast du das noch nie gesehen?«
    »Nein«, musste Gunhild zugeben. Butter war etwas, das sie nur in Goldpapier aus dem Supermarkt kannte. Kerrygold. Irische Markenbutter …
    »Willst du es auch einmal versuchen?«
    Gunhild ließ sich neben ihr auf der Bank nieder. Das Butterfass war schwerer, als sie vermutet hatte. Die Tonne war mit einem Deckel verschlossen, der eine runde Öffnung aufwies; durch sie führte der Schaft des Stößels.
    »Immer nur auf und nieder drücken«, erklärte Eriu. »Im Innern ist ein Holzquirl, der rührt den Rahm, bis er zu Butter wird.«
    »Das ist ja ganz einfach.«
    Einfach war es nur am Anfang. Als die Masse im Inneren fester wurde, brauchte man schon mehr Kraft. Bis Ériu ihr schließlich Einhalt gebot, war Gunhild in Schweiß gebadet.
    »Jetzt ist es gut.« Mit zwei Handgriffen löste sie die Zwingen, die den Deckel hielten. Die Butter im Innern war weißgelb und sahnig, fast wie Käse.
    »Mmh. Schmeckt viel besser als die gekaufte.«
    »Das liegt an der Milch.«
    »Und woher kommt die Milch?« Gunhild hatte immer noch nicht den Vers der Alten vergessen: Kühe ohne Milch …
    »Komm mit!«
    Ériu nahm das Butterfass hoch und stützte es auf die Hüfte; die Leichtigkeit, mit der sie das schwere Gewicht hob, erstaunte Gunhild. Sie gingen den Pfad hinab, der dem Wall folgend nach unten führte. Hier, unterhalb des gedrungenen Turmes, der die Ringfeste überragte, gab es Grotten im Kalkstein, teils ausgewaschen, teils mit Feuer und primitiven Geräten von Menschenhand vertieft. Doch niemand lebte hier mehr.
    Niemand außer der Kuh. Sie hatte einen Stall für sich allein, eine Höhlenkammer mit zwei Ausgängen. Der eine öffnete sich in einer Art großem Fenster über einer natürlichen Barriere in eine Vorkammer. Der andere führte hinaus auf eine Weide, die mit niedrigen Mauern aus Natursteinen eingefasst war.
    Die Kuh war braun, von einer gleichmäßigen, matt glänzenden Farbe. Nur ihr Schwanz war schwarz, ihre Hörner und ihre großen feuchten Augen.
    »Wie heißt sie?«
    »Wir nennen sie nur Donn Cuailgne, die Braune von Cooley. Das ist die Gegend, woher sie kommt, ein Ort in Laigen, dem Osten von Erin.«
    Nicht sehr einfallsreich, dachte Gunhild. Doch bevor sie noch

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